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Review
Die schlechtesten Spiele aller Zeiten
The Simpsons: Bart vs. The Space Mutants (NES- Version)
An einem Freitag dem 13. im Jahre 1991 sollte Fernsehgeschichte geschrieben werden. Der Titel dieses Artikels gibt es bereits her, es hatte etwas mit den Simpsons zu tun. Zum ersten Mal im deutschen Fernsehen durfte die Kultfamilie die Bühne betreten. Ihr könnt euch sicher sein, dass Eltern die Serie hassten (die damaligen Eltern hassten alles, was nicht gerade seinen BH verbrannte und eben einfach nur anders war als sie selbst). Und was glaubt ihr, die Kids liebten die gelben Gesellen, allen voran Bart Simpson. Er verkörperte so ziemlich alles, was die „Jugend von damals“ zu sein anstrebte (denkt mal darüber etwa eine Minute lang nach). Die Nation hatte einen neuen Helden und auch die Computerspiel- Industrie kam sehr schnell dahinter, dass aus der Zeichentrickfamilie Kapital zu schlagen ist.
Es geht mir in dieser Rubrik nicht darum, über guten Geschmack der Serie oder die Daseinsberechtigung der Simpsons im Allgemeinen zu sinnieren. Fakt von meiner Seite ist, dass die Serie ein paar sehr starke Staffeln mit einer ordentlichen Portion Satire und Gesellschaftskritik in die Welt gab. Das soll weder ungerühmt noch unerwähnt bleiben. Während sowohl Kenner, als auch Liebhaber der Serie oftmals aussagten, dass der ersten Staffel noch der richtige Biss fehlte, erwarben sich einige Publishers bereits die Lizenzrechte und wollten nicht eher ruhen, bis ein gleichnamiger Titel in den Regalen erschienen war. Im Grunde ein Verbrechen, denn damals war die Welt noch nicht ausreichend gewarnt vor den dunklen Fängen der Lizenzspiele.
Acclaim und Ocean Software waren damals keine Unbekannten. Sie sollten sich zu Mittätern an dem Titel The Simpson: Bart vs. The Space Mutants machen. Bereits auf dem Cover spiegelte sich der ganze Hype, der um den jungen Protagonisten Bart Simpson gemacht wurde. In all seiner Überlegenheit steht er da auf seinem Board, mit Spraydose und Schraubenschlüssel bewaffnet, während unterhalb des Bildes (er scheint wie auf einem Hyperbord über das Szenario hinweg zu fliegen), sich das Chaos über Springfield breit gemacht hat, sodass Dantes Inferno dagegen wie eine Grillparty wirkt. Sehr zum Vergnügen des Erstgeborenen der Familie, welcher sichtlich zufrieden grinst. Das Spiel muss einfach der Bringer sein. Bart ist der Held und spielt seinen Mitbürgern Streiche. Erste GTA- Szenarien bildeten sich in den Köpfen der damals überwiegend minderjährigen Fangemeinde. Ihr merkt bereits: Alle zehnjährigen Möchtegern- Rulebraker kamen sozusagen gar nicht drumherum sich den Titel für die Konsole zu sichern.
Wir legen das Spiel also ein und hören alsbald das bekannte Simpsons- Theme im 8bit- Sound. Jeder, der bis hierhin noch denkt, er hätte sich ein vielseitiges Game mit jeder Menge Dauerspaß erworben, sieht sich so getäuscht wie ein Katastrophenopfer im Hurrikane, das kurz vor der Evakuierung dann doch noch vom Dachbalken erschlagen wird. Den Grund hierfür erfahrt ihr gleich. Zunächst folgt der für damalige Verhältnisse recht anschauliche Vorspann, in dem klar wird, was es mit denen im Spieltitel angedeuteten „Space Mutants“ auf sich hat. Diese tauchen bereits per Ufo am Fenster auf, während ein angepisster Bart Simpson mit dem Rest der Familie fernsieht (wer nicht ständig angepisst ist und nicht mit seinen Eltern und kleineren Schwestern gerne fernsieht, ist uncool. 90er Jahre- Message angekommen?). Es gibt einen Szenenwechsel, bei dem ein UFO am Nachthimmel zwei Aliens – Verzeihung -, Space Mutanten auf die Erde beamt. Bart beobachtet diesen Vorgang und erkennt sogleich das ganze Ausmaß der Bedrohung (er ist nämlich so viel schlauer als alle anderen). Die außerirdischen Spast- Mutanten tarnen sich als Menschen, was Bart jedoch sofort entlarvt, weil er ja eine Sonnenbrille aufhat (bei Nacht!). Wartet, es ist doch keine gewöhnliche Sonnenbrille. Es ist eine X- Ray Specs- Brille, die jeder Junge aus dem unteren Mittelstand ständig bei sich trägt. Wie dem auch sei, diese Tatsache wird für den weiteren Spielverlauf wichtig sein, um vermeintliche Mitbürger als Space Mutanten zu entlarven. Einfach X- Ray Multi 2000 Super Bart „besser als alles Andere auf der Welt“- Sonnenbrille aufsetzen und da habt ihr den Feind. Klingt dämlich, meint ihr? Dann seht euch niemals „Sie Leben“ von John Carpenter mit Roddy Piper in der Hauptrolle an.
Also nachdem unser schlauer Bart nun weiß, wie er den bösen Space Mutanten zu Leibe rücken muss, kann es auch gleich ins Abenteuer gehen. Glaubt ihr? Es gibt einen weiteren Einspieler. Zwei Mutanten stehen an einem Fließband und planen die ultimative Waffe zu bauen, mit der sie die Menschheit unterjochen können. Dazu benötigen sie alles von der Farbe Lila. Alles klar? Vielleicht ist das auch der Grund, warum die USA am liebsten im Iran einmarschieren würde. Lila Burkas auf den Straßen (die Erklärung könnte zumindest glatt von denen sein). Wie auch immer, das mit den lila Gegenständen dürften wir als Spieler nun eigentlich gar nicht wissen. Macht aber nichts, denn Bart weiß ja schließlich alles. Es geht los. Oh my Goooood! - Das Spiel hat eine Sprachausgabe. Nach einem kurzen „Eat my Shorts“, das eher klingt wie „Ich war schuld“, geht es nun auch wirklich los. Und ab diesem Zeitpunkt kommt das vermurkste Gameplay über uns, wie die bösen Mutanten über die Welt.
Das Abenteuer beginnt in den Straßen von Springfield. Auf denen tummeln sich bereits oktopusartige Wesen, die scheinbar niemand außer uns sehen kann (was in diesem Fall nichts mit unserer Hyper X- Ray Todes of Death- Sonnenbrille zu tun hat). Die wenigen Passanten, die durch das Bild laufen, juckt es kaum, während unsere Spielfigur bei jeder noch so kleinen Berührung einen Lebenspunkt verliert. Klingt nicht weiter schlimm? Ist es aber, wenn man maximal zwei Lebenspunkte hat. Wie entledigt man sich dieser kleinen Krakenwesen? Draufspringen, das hilft seit Super Mario. Mööööp. Der Schuss ginge dann nach hinten los. Punktabzug. Sehen wir doch einmal im vermurksten Inventar nach (dessen Bedienung katastrophal ist). Dort befindet sich natürlich eine obercoole Spraydose. Vielleicht lassen sich die Wesen damit besiegen. Mööööp. Feuerwerkskörper? Mööööp. Was dann? Die Antwort: Ihr könnt diese Kopffüßler aus dem All nicht besiegen. Es geht einfach nicht und selbst wenn ihr einen Panzer finden solltet, versucht es erst gar nicht. Im Gegenzug kann euch alles Mögliche in diesem Spiel töten. Und ich meine wirklich ALLES. Und vertraut mir, das wird es auch nach den ersten Anläufen ganz sicher tun. Die dämliche Steuerung, auf die ich an dieser Steller nicht näher eingehen will, wird euch dabei unterstützen. Ich sage nur: Hoher Sprung mit Mülleimer und zwei Knöpfen gleichzeitig, nachdem zuvor die Sprungtaste gedrückt und dann gehalten wurde, um somit schneller laufen zu können, um mehr Anlauf in den Sprung zu bringen, der dann... Die Steuerung ist eine Strafe für jemanden, der wissentlich kleine Kinder in einen Sumpf gejagt hat.
Die schon erwähnten Passanten sind zumeist getarnte Aliens, die wir tatsächlich beseitigen können, indem wir die X- Ray Specs- Brille aufsetzen und ihre falsche Fassade enttarnen. In diesem Fall lohnt es sich einmal kurz auf den Kopf zu springen. Versucht man dies bei einem normalen Passanten, kostet es Lebenspunkte. Denkt das nächste Mal darüber nach, wenn ihr Splinter Cell spielt und euch mit Sam Fisher auf einen Gegner fallen lassen möchtet. Immerhin gibt es für jeden enttarnten bzw. erledigten Alien eine Belohnung in Form eines Buchstaben. Mit diesen könnt ihr den Namen eines Familienmitglieds ausschreiben, welches euch dann - vorausgesetzt ihr habt dessen Namen vollständig -, im Bosskampf jeden Levels beistehen wird. In der Bedienungsanleitung steht etwas von einem „Beweis“, den man bei den erledigten Aliens findet. Also genügt es der kleinen Maggie nicht, wenn wir bloß einen von den Tintenfischen from Space dorthin zurückschicken. Nein, sie möchte genau SECHS Beweise haben. So viele wie ihr Name an Buchstaben enthält. So viele Buchstaben der Satz enthält, der mir dabei für die Programmierer einfällt. F... U!!!
Vergessen wir über all diesem Murks nicht das Elementare an Level 1: Wir müssen alle lila Gegenstände beseitigen. In der Menüleiste ist hierzu ein Zähler, der einem angibt, wie viele man von dem Blödsinn noch wegzuschaffen hat. Und dabei dürft ihr so kreativ wie nur irgendmöglich sein. Ihr werft Wäsche über lila Spielzeug, verjagt purpurne Vögel mit Feuerwerksknallern, sprayt Mülltonnen und Wände mit roter Farbe an (habt ihr auch alle aufgepasst, liebe jugendliche Nachwuchssprayer?) und verarscht Mo am Telefon, damit dieser aus seiner Kneipe läuft (und dabei wie alle anderen Passanten aussieht) und ein lila Shirt trägt (Sprayen nicht vergessen). Ihr könnt den Level natürlich auch einfach durchrennen, immer nur geradeaus laufen (bis auf die Passage, in der ihr Skateboard fahren könnt. Uhhh wie cool, das Spiel muss einfach der Hammer sein!). Doch wenn ihr einfach durchrusht und sozusagen auf alle gesuchten Gegenstände sch..., steht ihr irgendwann an einer Stelle, wo es einfach nicht mehr weitergeht. Im Englischen würde man von „Dead End“ sprechen. Genauso am Ende wie die Nerven des ahnungslosen Käufers.
Übrigens gibt es einen Zeitzähler, der euch nach dem Ablauf das Leben kostet, was sich nach einer Weile als größte Gnade herausstellen sollte. Ihr erinnert euch an das erwähnte Simpsons 8bit- Theme? Dieses läuft nämlich gefühlte 18224-mal hoch und runter, während ihr durch den ersten Level stolpert und versucht, mittels grottiger Steuerung Gegnern auszuweichen, Lila Sachen und Freileben zu erreichen. Letztere werden als Köpfe von Crusti dem Alkoholikerclown dargestellt. Alkoholkrank wurden sicher auch die Leute, die dieses Spiel länger als fünf Stunden spielen mussten, ebenso wie 80% der Betatester. Falls es überhaupt welche gab. Ich habe da so meine Zweifel.
Ich könnte euch noch in ellenlangen Texten über dämliche Gegenstände berichten, aus denen die Mutanten ihre Waffen herstellen wollen. Über altes Zeitungspapier, das durch die Gegend fliegt und euch angreift und über Donuts, die euch mit ihrem Gewicht erschlagen wollen. Dass ihr über Lollis balancieren sollt, um nicht in flüssigen Zement zu fallen und Psycho Bob (der in Deutschland wer weiß warum Tingeltangel Bob heißt) auf die Füße treten müsst. Letzteres hört sich spannend an? Dickes Fanlike? Am Arsch ...
(DPR)
Witchers Journal, Jg. 1, Nr. 2 vom 15.09.2013, S. 18-20
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