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Geschichten
Die Quest
Endlich stand ich vor ihm, nach Monaten und Jahren der Suche und Vorbereitung:
Olbaid, dem rothäutigen Schlächter von Avir, Zerstörer ganzer Welten, Herrscher über die Schrecken der 16 Verliese und gleichermaßen gefürchtet und verdammt in allen Königreichen dieser Welt …
Gelassen thronte er vor mir auf den gewaltigen Bergen von verblichenen Schädeln und Gebeinen früherer Abenteurer, die, ebenso wie ich, mehr oder minder freiwillig, den Weg durch die Katakomben, in die von rußigen Fackeln nur mäßig erhellte Höhle, gefunden hatten. Rüstungen in den verschiedensten Stadien des Verfalls und Zerstörung blitzten ab und an zwischen den bleichen Knochen auf.
Olbaid sah, mit einem belustigten und recht herablassend wirkenden Blick, aus schwefeligen Augen, auf mich herab, während sein muskelbepackter, gut 600 Pfund schwerer Körper sich drohend über mich zu beugen begann, so dass seine meterlangen, gewundenen Hörner fast mein Gesicht berührten. Ein sardonisches Grinsen zerteilte seine dreckige Fratze, die ebenso glutrot wie der Rest des massiven Monsters war und im flackernden Licht der Höhle ölig glänzte. Sein reißzahnbesetztes Maul entließ dabei einen Schwall pestilenzartigen Gestanks, der mich fast wanken ließ, während seine Hände, dessen Krallen langen und überaus scharfen, wenn auch ungepflegten Dolchen glichen, in Erwartung des Kampfes zuckten, der nun unmittelbar bevorstand. Und nur einer von uns beiden würde diesen Kampf überstehen und diese Stätte lebend verlassen. Ich spürte keinerlei Angst. Ich war gut gerüstet …
Meinen Körper hatte ich mit harter Arbeit und im Schweiße meines Angesichts, an der Seite von grimmigen Zwergen in den Minen von Airom, gestählt, meine Geschicklichkeit und meinen Mut in harten Kämpfen gegen Banditen, Zombies, Skelettkriegern, Ghoulen und allen anderen widernatürlichen Lakaien aus der Gefolgschaft Olbaids unter Beweis gestellt. Ich hatte die weiße Riesenspinne Arknak in den dunklen Gebirgen von Rodrom besiegt, den finsteren Dämon La´ab aus dem Tal der Trümmer vertrieben und die tödlichen Rätsel des widerlichen Gnoms Logaems überlebt. Meinen Schwertarm trainierte ich in unzähligen Übungsstunden bei Sonauc, der zu Tedorans besten Schwertkämpfern zählte. Zu Recht. Dem Zauberer Snekial entriss ich in zwei zermürbenden Lehrjahren alle Geheimnisse der Zauberkunst, die er kannte, bevor der Stahl meines Schwertes seinem Leben ein endgültiges Ende setzte.
Der Hochkönig Ruhtra Dragonpen verlor durch mich sein Schwert Rubilacxe. In dunkelster Nacht und im Schutze eines undurchdringlichen Nebels brach ich in sein Gemach ein und nahm es unbehelligt an mich. Ich verschwand rasch und spurlos aus dem Königreich, noch ehe der Diebstahl bemerkt werden konnte. Meine Rüstung aus roten Drachenschuppen verdankte ich hingegen einem altersschwachen Abkömmling dieser Rasse, der mir das Geschenk seines frühen Ablebens machte und einem Schmied aus Mastolf, dessen handwerkliches Können nur noch durch die Gier in seinen Augen übertroffen wurde, als er im Kopfe überschlug, wie er mich am besten übers Ohr hauen könnte. Ich verließ die Stadt, ohne ihn zu bezahlen und erleichterte ihn zugleich um einen blauen Meteoritendolch und eine passende Schwertscheide für Rubilacxe. Er hatte es nicht anders verdient.
Es dauerte sechs Monate, bis ich eine Fährte von Olbaid aufspürte und zwei weitere, um festzustellen, dass sie bereits kalt geworden war. Ich folgte daraufhin den Spuren seiner Verwüstungen durch die purpurnen Steppen, gelangte unbeschadet durch die tödlichen Kristallwälder und durchquerte motzend die Sümpfe der Mauligkeit. Eine kurze Zeit schloss ich mich einer Gruppe sehr haariger Halbwüchsiger an, deren einziges Gesprächsthema sich jedoch um ein Schmuckstück drehte, das ihnen von Rechts wegen noch nicht einmal gehörte und welches sie anscheinend an einem weit entfernten Ort einschmelzen lassen wollten. Wahrscheinlich, um dann irgendeinen anderen modischen Firlefanz daraus fertigen zu lassen. Seltsame Gesellen waren das.
Den entscheidenden Hinweis auf den Verbleib Olbaids bekam ich schließlich von einem Krieger und Magier namens Naimad, der einen raffinierten Feldzug plante, um seine zwischen Leben und Tod schwebende Freundin wieder zu sich zurück zu holen. Dabei nestelte er stets gedankenverloren an einem Medaillon herum, welches unübersehbar auf seinem Brustpanzer ruhte. Ein verdammt sympathischer Kerl, wie ich fand.
Es war eine kleine Stadt in den Bergen, die unterirdisch in den labyrinthischen Kellern der Häuser den verborgenen Eingang zu Olbaids Reich beherbergte. Mühsam bahnte ich mir meinen Weg durch die Untergebenen und Lakaien des Schlächters, die mir in den 16 Ebenen unverdrossen und überall den Weg zu versperren versuchten, aber rasch die Macht von Rubilacxe zu spüren bekamen, dessen bluttriefende Klinge freudig sang, während sie sich ihren Weg durch die Leiber meiner Feinde bahnte. Ich überwand noch so manche der hinterhältigen und tödlichen Fallen, die in Wänden, Decken und Böden und sogar in offen dastehenden Kisten versteckt waren. Nun endlich stand, nach all der Mühsal und Qualen, das Ziel meiner langen Reise leibhaftig vor mir:
Olbaid! Ich fletschte die Zähne.
Olbaid brüllte. Sein Gesicht verzog sich zu einer grauenerregenden Maske. Jeden Augenblick konnte der entscheidende Angriff von seiner Seite erfolgen. Sei wachsam, raunte ich mir in Gedanken zu. Ein dumpfes Grollen erklang und einen Moment lang befürchtete ich, die Höhle würde über uns einstürzen, noch bevor der erste Schlag geführt worden war. Dann jedoch sah ich, wie Oblaid sich mit seinen riesigen Pranken den nicht weniger monströsen Wanst hielt und ich begriff, dass dieses Geräusch aus seinem innersten gekommen war. Dann erklang es erneut und eine giftgrüne Wolke erfüllte die Höhle mit bestialischem Gestank. Es roch eindeutig nach Dämonenarsch.
„Entschuldige“, Oblaid hob kurz die Schultern, “aber der letzte Recke liegt mir noch etwas schwer im Magen.“ Mit einer scharfen Kralle fuhrwerkte er zwischen seinen spitzen Zähnen herum und pulte einen menschlichen Oberschenkelknochen hervor, an dem noch einiges Fleisch hing. Er rülpste und würgte anschließend.
„Würde es dir etwas ausmachen, wenn ich vor unserem Kampf noch eben in die Nebenhöhle gehe und mir die Klaue in den Hals stecke?“ Seine Stimme dröhnte.
Ich war etwas verwirrt.
„Ja … warum nicht? Das geht in Ordnung, glaub ich.“ Ich sah dem rothäutigen Koloss nach, als er sich polternd auf den Weg machte. Unzählige Totenschädel zerbrachen unter seinen stinkenden Füßen, ein Geräusch, welches mir einen Schauder über den Rücken jagte.
„Aber lass mich nicht zu lange warten“, rief ich ihm noch hinterher, „ich habe nicht den ganzen Tag Zeit, hörst du?“
Ich wartete zehn Minuten. Eine Stunde verging und dann noch eine, bis ich endlich begriff, dass er nicht mehr kommen würde. Olbaid hatte gekniffen. Ich war allein.
Und was sollte ich nun tun?
Verdammt!
(Dan)
Witchers News, Jg. 3, Nr. 18 vom 01.08.2011, S. 22-24
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