Monstergrotte


Die Wahrheit über Adda, die Striege

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So hatte es sich zugetragen ...

Geralt von Riva gehörte nicht zu der Sorte Mensch, die mit ihren Erlebnissen prahlten, obwohl er wesentlich mehr gefährliche Situationen durchgestanden und Monster überlebt hatte, als ein Dutzend normaler Bürger in ihrem ganzen Leben. Als Hexer, denn ein solcher war er nun mal, genügte es ihm, seine Aufträge zu erfüllen und später kein überflüssiges Gewese mehr darum zu machen. Für diese Aufgabe gab es Barden wie mich, die auf dem schmalen Grad von Wahrheit und dichterischer Freiheit so gut wandelten, wie sie es vermochten.
Ab und an, wenn Geralt in einer gewissen Stimmung gefangen war und sein Alkoholkonsum das übliche Maß eines Hexers weit überschritten hatte, sprach er dennoch über die Vergangenheit und ihre Fallstricke, denen er zuweilen ausweichen musste. Mal mehr erfolgreich und mal weniger. Eines solchen Abends gewährte er mir einmal mehr einen Blick in seine bewegte Vergangenheit, die Stimme trotz der vielen Humpen serrikanischen Bieres klar und deutlich.
„Mein lieber Rittersporn“, begann er und stürzte den halb vollen Humpen in einem Zug herunter, wischte sich die schäumende Krone von den Lippen und lächelte mich an, was mir einen Schauer über den Rücken jagte, „wir kennen uns nun schon so viele Jahre, guter Freund.“
Ich nickte nur und harrte der Dinge, die nun kommen mochten, ohne im Geringsten darauf gefasst zu sein, welche Enthüllung er mir jetzt offenbaren würde. Geralt winkte mit dem leeren Humpen in Richtung Wirt, der sich beeilte, seinem Wunsche nachzukommen. Erst als ein frisch gezapftes Bier vor seiner Nase stand, sprach er weiter.
„Sicherlich erinnerst du dich an Adda ...“
„Wer würde das nicht, Geralt? Die Geschichte hat dich im ganzen Land berühmt gemacht und meine Ballade zu dem Ereignis mich nicht minder ...“
Geralt gab mir mit einem harschen Handzeichen zu verstehen, dass ich schweigen solle.
„Genauso ist es, Barde. Der große Hexer Geralt von Riva löste den Fluch von Foltests Bankert, der ehrwürdigen Striege Adda. Was ich dir jetzt erzähle, mein Freund, habe ich noch nie jemanden erzählt und werde es auch nie wieder. Und du wirst es auch nicht. Keine Ballade, kein Knittelvers, keine schmutzigen Frotzeleien, rein gar nichts. Sollte irgendein Wort darüber je deine Lippen verlassen, so werde ich nicht zögern, mit meinen eigenen Händen dir deine Gurgel so zu verbiegen, dass kein gerader Ton mehr aus ihr herauskommen wird … hast du mich verstanden?“
Ich nickte schluckend und versuchte, meine Angst nicht zu zeigen. Vergebens. Er konnte sie riechen. Geralt lächelte erneut dieses eisige Grinsen, trank einen Schluck, um die Kehle zu befeuchten, schürzte die Lippen und begann zu erzählen.
„Es geschah damals in Wyzima, lange vor der Quarantäne, die uns beiden Jahre später soviel Ärger machen sollte. Ich versuchte gerade in einer Schenke ein ordentliches Bier und ein Lager für die Nacht zu bekommen, im ‚Alten Narakort‘, wenn ich mich recht entsinne. Nein, es war der ‚Fuchs‘, jetzt bin ich mir sicher. Unglücklicherweise stellten sich mir einige ungehobelte Gesellen in den Weg. Ich war müde und hatte keinerlei Verlangen auf einen Händel mit den dreien, doch als sie mir mein Bier verdarben, blieb mir keine andere Wahl, als ihnen eine Lektion zu erteilen, die sie zu ihrem Leidwesen nicht überlebten. Kurze Zeit später stand ich vor Velerad, dem Stadtvogt von Wyzima. Ich hätte zwar den offiziellen Weg vorgezogen, um dem Vogt meine Aufwartung zu machen, doch so ging es auch. Wir beide kamen rasch zum Wesentlichen. Die Striege. Ich hatte einen dieser Anschläge gefunden, die sie in Schenken und an Kreuzwegen angenagelt hatten. Feines weißes Ziegenleder, da steckte Geld dahinter, ohne Zweifel. Viel Geld. Und ich konnte es gut gebrauchen.
Ein anderer Hexer hatte schon vor der Aufgabe Reißaus genommen, verlangte König Foltest doch nicht weniger, als dass man Adda von ihrem Fluch befreien sollte, ein Kunststück, an dem schon mächtige Zauberer kläglich gescheitert waren. Nun wollte ich mein Glück versuchen. Foltest bot demjenigen, dem das Unmögliche gelang, dreitausend Oren und die Hand der Prinzessin noch dazu. Nicht, dass mich das Balg interessiert hätte, geschweige denn, dass Foltest je einen Hexer als Schwiegersohn akzeptieren würde.
Einigen Stadtoberen allerdings hing die ganze Angelegenheit bereits zum Halse heraus, hatte doch die ehrwürdige Striege Adda in den vergangenen sechs Jahren unzählige Menschen zum letzten Abendmahl ins alte Schloss geladen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis der Stadt allmählich die Verbrecher ausgingen, die man ihr weiterhin zum Fraß vorwerfen konnte. So beschlossen sie, dem anderen Hexer ein stattliches Sümmchen zu bieten, um ihn dazu zu bewegen, der Striege einfach den Garaus zu machen und das ganze als Betriebsunfall zu tarnen. Foltest hätte zwar getobt und gezetert, doch sich letztlich ins Unvermeidliche gefügt.
Ich wurde rasch mit Velerad einig und er brachte mich zu Foltest, dem ich versprach, das ich den Fluch brechen würde, der auf seiner Tochter und seinem Gewissen lastete.“
Geralt warf einen abwesenden Blick in seinen Humpen und betrachtete offensichtlich sein bleiches Spiegelbild in dem dunklen Bier. Er seufzte und ich ahnte bereits, das nun der Teil der Geschichte nicht mehr fern war, der auf seinem Gewissen lastete, so wie es der Fluch auf Foltests Balg getan hatte. Ein weiteres Seufzen folgte, darauf ein Schluck Bier.
„Kurz vor Sonnenuntergang begab ich mich zum alten Schloss, welches die Bewohner Wyzimas mieden wie ein Zwerg das Rasiermesser. Ich hatte mich gut vorbereitet. Silberschwert, Silberkette und meine Tränke lagen griffbereit vor mir. Vor allem Katze sollte mir in dieser Nacht gute Dienste leisten. Dazu kam ein neuer Trank aus Weißem Nieswurz, Stechapfel, Weißdorn, Wolfsmilch und etlichen anderen Ingredienzien, deren Namen du noch nie vernommen hast, die mich allerdings in flüssiger Form dazu befähigten, meine ohnehin schon geschärften Sinne noch weiter zu verbessern. So entging meinen Ohren auch nicht der erste Gast seit langem, der neben meiner Wenigkeit dem alten Stadtschloss einen Besuch abstattete.
Es handelte sich dabei um Ostrit, ein Magnat und zugleich einer der Stadtoberen, der gekommen war, um mir ein Angebot zu unterbreiten, das ich seiner Meinung nach nicht ablehnen konnte. Tausend Oren bot er mir, wenn ich von meinem Vorhaben ab ließ und die Striege weder tötete noch von ihrem Fluch befreite, sondern sofort das Weite suchte,damit alles so bliebe, wie es war. Nach einem kurzen Disput mit ihm entschied ich, dass Ostrit mir durchaus nützlich sein könne, schlug ihn nieder und fesselte ihn.
Natürlich war er kaum davon angetan, als er erwachte und von der Rolle hörte, die ich ihm zugedacht hatte. Zunächst erfuhr ich jedoch noch einige nützliche Dinge. Ostrit wünschte Foltest den Tod, nicht durch Gewalt, sondern durch Wahnsinn, der von dem schrecklichen Schicksal seiner verfluchten Tochter herrühren sollte. Der Grund hierfür war simpel: Ostrit war verliebt gewesen in Adda, der Mutter der Striege, die bei der Geburt des Bankerts starb, den sie mit ihrem Bruder Foltest gezeugt hatte. Der Magnat wies jedoch den Vorwurf, er hätte den Fluch ausgesprochen, der das Kind in eine Striege verwandelt hatte, weit von sich. Ich traute seinem Spatzenhirn ohnehin nicht wirklich zu, einen wirksamen Fluch zu entsinnen, aber ohne Zweifel hatten einige unbedachte Worte seinerseits dazu geführt, das dies ein anderer getan hatte, der mehr davon verstand.
Letztlich löste ich Ostrits Fesseln und wartete auf das, was unweigerlich kommen musste. Die Striege erwischte den Unglücklichen, bevor er den verlassenen Schlosshof halb überquert hatte. Der Narr! Hatte er wirklich geglaubt, ich ließe ihn ohne Weiteres laufen? Er gab mir die nötige Zeit, um mich mental auf den folgenden Kampf vorzubereiten, der daraufhin zwischen mir und der Striege entbrannte. Geschickt wich ich ihren Hieben aus, schwächte sie kurzfristig, indem ich sie mit der Silberkette lähmte und mit Aard auf Distanz hielt, als besagte Kette schließlich riss. Sie kämpfte dagegen an und kam mir Schritt für Schritt näher, bis uns nur noch eine Armeslänge voneinander trennte und ich den fauligen Atem riechen konnte, der ihrem Maul entströmte. Und dann geschah es ...“, Geralts Stimme stockte und er senkte seinen Kopf, bis eine Strähne seines milchweißen Haares um Haaresbreite in den Bierkrug getunkt wurde.
„Was geschah dann?“, verlangte ich mit aufgekratzter Stimme zu wissen, griff ohne nachzudenken nach seinem Krug und nahm einen tiefen Schluck, um meine Kehle zu beruhigen. Geralt sah mich an und lächelte traurig.
„Wir sahen uns in die Augen. Von Monster zu Monster. Ich sah das verängstigte junge Mädchen in den Tiefen der glotzenden Kugeln und ich sah noch weit mehr als nur das: Verstehen, Versuchung und vor allem … Verlangen. Nicht etwa nach meinem Blut und erst recht nicht nach meinem Tod. Die Striege sog lautstark die Luft durch ihre Nüstern, als ob sie von mir Witterung aufnehmen würde, leckte dann über ihre blutverschmierten Lippen, grinste mich lüstern an und formte ihr hässliches Maul zu der grotesken Verhöhnung eines Kussmunds. Ich erschrak, und das tue ich selten, wie du weißt, löste das Zeichen und sprang zur Seite, gerade noch rechtzeitig, bevor der massive Körper dieses Untiers gegen meinen prallen konnte.
Zitternd blieb ich in der Nähe des Eingangs zur Krypta stehen, geschützt durch die Schatten, die mir einige eingestürzte Mauern boten. So konnte ich beobachten, wie Adda sich schüttelte, den Staub von ihrem Monsterkörper putzte und sich aufreizend durch die roten Zotteln fuhr, die ihren Haarschopf darstellen sollten.
Verdammt, warum hatte mich niemand davor gewarnt, das Adda sich gerade mitten in der Pubertät befand? In jener Zeitspanne, in der jeder Körper die Veränderungen durchlief, die jeden Jüngling zum Manne und Adda, nun ja, zur Frau machte. Zugegeben war Frau nicht gerade die Bezeichnung, die ich bei Adda für angemessen hielt, doch es gab daran keinen Zweifel. Das vier Fuß hohe Wesen, das mehr einem Bierfass ähnelte als einem Menschen und dessen spitze, stilettgleichen Zähne von einem Ohr zum anderen grinsten, während ihre noch von Ostrits Blut befleckten Klauen zärtlich über die schlaff herunterbaumelnden Brüste strichen, die von den wenigen Fetzen, die sie am Leibe trug, kaum verdeckt wurden, war spitz wie ein junger Elf. Und sie hatte es zweifellos auf mich abgesehen. Ich wusste nicht, ob ich mich nun geschmeichelt oder davon abgestoßen fühlen sollte. Wahrscheinlich beides.
Adda hingegen wusste genau, was sie wollte. Mit ihren Augen schien es nicht zum Besten zu stehen, doch sie hatte andere Sinne, die ihr bessere Dienste leisteten. Ich sah, wie sich ihre tierischen Nasenflügel blähten, um meinen Geruch zu erfassen und es dauerte auch nicht lange, bis sie meine Witterung aufgenommen hatte. Sie stemmte ihren muskulösen Körper in die Höhe und knurrte. Es war beileibe kein finsterer Laut, sondern eher das Äquivalent zu dem verliebten Gurren einer Turteltaube. Einer hässlichen, gefährlichen und flugunfähigen Turteltaube genauer gesagt.
Ich sah mein Heil nur noch in der Flucht, denn ich wusste, wenn ich ihr in die Klauen fiel, dann lief es nur auf eines hinaus: Adda würde die Befriedigung ihrer neu erwachten Lust finden, während mein geschundener Körper einem nutzlosen Spielzeug gleich tot zu ihren Füßen lag. Ein Ende, auf das ich gut verzichten konnte.
Es waren nur noch wenige Stunden, bis die Sonne aufging und der Fluch wäre gebrochen, wenn der Hahn zum dritten Mal krähte. Nicht, dass es im Umkreis von einigen Meilen um das alte Schloss herum noch irgendwo einen Hahn gegeben hätte; dafür hatte Adda als erstes gesorgt, als sie zum ersten Mal aus ihrem Sarg in der Krypta gekrochen war.

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Der Sarg. Ein Plan reifte in mir, der vielversprechend klang. Ich flüchtete ohne viel Federlesens in die Krypta hinab. Sofern ich den Sarkophag der Striege als erstes erreichte und mich darin verbarrikadieren konnte, so konnte ich nicht nur den Fluch lösen, sondern auch verhindern, dass ich als Addas erster One-Night-Stand endete. Womit ich nicht gerechnet hatte, war die Schnelligkeit und der pure Wille der Striege, mich zu besitzen. Mit wendigen, fast anmutigen Bewegungen setzte sie mir nach, jagte mich um verwitterte Särge aus Stein und Holz herum und kam mir manches Mal näher, als mir lieb war. Ich beschimpfte sie, warf ihr an den Kopf, dass sie absolut nicht mein Typ sei und sich gefälligst eine andere Striege suchen sollte, doch es half nichts. All meine Worte schienen sie nur noch mehr anzustacheln und in der Dunkelheit sah ich, wie sich ihre Brustwarzen, die so groß waren wie der Boden des Humpens, der gerade vor mir steht, allmählich aufzurichten begannen. Anscheinend stand die Striege auf Dirty Talk. Mir schauderte. Das erste Mal in meinem Leben wünschte ich mir, ich wäre blind. Endlich erreichten wir die Kammer, in der Addas steinerner Sarg stand. Wieder einmal griff sie nach mir, bekam allerdings nur die Gurte meiner Schwerter zu fassen, die der rohen Kraft nicht lange stand hielten und rissen, sodass ihre junge Majestät lediglich die beiden Waffen in Händen hielt anstelle des Kerls, dem sie gehörten.
Einen Augenblick lang schaute sie mit tumben Blick auf die beiden Erzeugnisse der Schmiedekunst herab bevor sie sie mit einem grollendem Brüllen in die nächste Ecke pfefferte. Das verschaffte mir die Zeit, rasch in Addas Sarg zu klettern und die Steinplatte über mir zu schließen. Mit zitternden Händen wirkte ich Yrden ...“
Ich merkte erst jetzt, dass ich die ganze Zeit die Luft vor Spannung angehalten hatte, die nun mit einem zischenden Laut aus meinen Lungen entwich.
„Geralt, das ist ja ... ich weiß nicht, was ... unfassbar! Ich kann gut verstehen, warum du diesen Teil der Geschichte stets ausgelassen hast ...“
Geralt schüttelte sanft den Kopf.
„Ich bin noch nicht fertig, Barde!“
„Was kommt denn noch?“, keuchte ich unabsichtlich.
„Warts ab. Ich lag also in Addas Sarg und war dabei Yrden zu wirken, doch meine Hand zitterte zu sehr und die Anwesenheit von Addas Mutter, deren mumifizierter Schädel mich mit einer recht vorwurfsvollen Miene anzuklagen schien, erleichterte mein Vorhaben um keinen Deut. Es kam, wie es kommen musste. Addas starke Pranken rissen den Deckel über mir herunter und griffen nach mir. Zärtlicher, als ich gedacht hätte und dann, na, den Rest wirst du dir schon denken können, Barde.“
„Du hast doch nicht, ich meine, sie hat doch nicht, ihr beide also ...?!“
„Ganz Recht, Rittersporn, wir hatten. Dreimal. Und es war nicht der schlechteste Sex, den ich bis dahin hatte, obwohl es mir eigentlich widerstrebt, dermaßen von meiner Gespielin dominiert zu werden, wie Adda es tat. Geküsst haben wir uns allerdings nicht, ich wollte schließlich bei Bewusstsein bleiben. Schließlich graute der Morgen, und wenn auch kein Hahn krähte, erkannte Adda, dass sie betrogen worden war. Noch während ihrer Rückverwandlung, die ich aufgrund des massiven Gewichts der Striege, das auf mir lastete, sehr begrüßte, funkelten mich ihre immer menschlicher werdenden Augen wütend an. Im letzten Augenblick, kurz bevor sie ganz zu dem jungen Mädchen wurde, das sie von Natur aus war, verpasste sie mir mit ihrer verbliebenen Pranke einen Hieb, deren Narben du an meinem Hals noch immer bewundern kannst. Ich schaffte es noch, meine Kleidung zu richten und die Wunde mit einem Stück Tuch abzupressen, bevor ich oben, am Eingang der Krypta, ohnmächtig zu Boden sank. Und das war die wahre Geschichte über Adda, die Striege, das schwöre ich, bei allem, was einem Hexer heilig ist!“
Ich winkte den Wirt herbei und bestellte mit krächzender Stimme ein Bier, hielt den Mann am Ärmel zurück und bestellte sechs doppelte Roggenwodka noch dazu. Verblüfft verfolgte der Hexer, wie ich die Getränke rasch und ohne große Pausen die Kehle hinunterstürzte.
„Rittersporn, um Triss‘ prallen Arsch willen, was soll das werden?“
Ich griff nach dem fünften Wodka. Meine Hand wurde schon unsicher und meine Zunge schwer, als ich ihm antwortete.
„Was isch tuh“, lallte ich zusehends, „siehst du das nischt? Isch besauf mich, denn“, ich winkte ihn näher heran und flüsterte, „ denn es gibbt mansche Dinge, die will isch gar nischt wisse, Hexe... äh.. Hexer! Isch kann nur hopfen ... nee ... hoffen kann isch, dass isch morgen alles wieder vergeschen hab...hicks...“
Geralt klopfte mir mitfühlend auf den Rücken, wobei mir unfreiwillig ein heftiger Darmwind entfleuchte, bevor ich meinen schweren Kopf auf dem Tisch platzierte und selig einschlummerte.
Natürlich habe ich kein Wort von der Geschichte vergessen, die Geralt mir erzählte, auch wenn ich am nächsten Tag überzeugend den Unwissenden mimte. Ganz im Vertrauen fühle ich mich Ihnen gegenüber gerade ein wenig schuldbewusst, denn was mir graut, sollte Geralt meine Indiskretion herausbekommen, blüht nun auch Ihnen. Ich kann für uns beide nur hoffen, das sie ihr Maul halten können und nicht gleich alles in der Gegend herumtratschen ...

Über die Herkunft der Striege, die andernorts auch Striga oder Strix genannt wird, ist nicht viel bekannt. Manche behaupten, eine Striege entstehe nur nach einem sehr starken Fluch und befalle hauptsächlich ganz junge Mädchen oder sehr alte Frauen, die besonders böse und verschlagen sind, so wie Hexen und Mörderinnen. Andere hingegen gehen davon aus, und ihre Zahl wächst in letzter Zeit ständig, dass es Striegen auch in natura gibt bzw. einmal gegeben hat und sie womöglich ausgestorben sind. Besagte Flüche würden sich in diesem Falle nur der bereits in der Natur vorhandenen Form bedienen und somit eine alte Art wieder auferstehen lassen.
Die Striege gehört wie viele andere Bestien und Monster auch zur Gattung der Untoten. Sie meidet wie die Vampire, Flatterer und andere nachtaktive Geschöpfe das Sonnenlicht und verbringt die Tage im Schutz eines dunklen unzugänglichen Ortes, meistens in verborgenen Grüften oder tiefen Höhlen. In der Nacht kommt sie dann hervor und stillt ihre dunklen Gelüste: die unbarmherzige Jagd und das anschließende Verschlingen der erlegten Beute, die das Pech hatte, ihr zu begegnen.
Besonders aktiv werden Striegen in der Vollmondzeit.
Diese Kreaturen zeichnen sich durch besondere Stärke und Wendigkeit aus, wenn auch nicht unbedingt durch große Ausdauer, doch ist diese für sie auch kaum vonnöten. Mit ihren riesigen, krallenbewehrten Pranken ersticken sie jeglichen Widerstand im Keime und ihre spitzen Reißzähne, die das Maul von einem Ohr bis zum anderen füllen, sind ganz dafür geschaffen, ihre Opfer rasch in Fetzen zu reißen.
Unbesiegbar sind Striegen jedoch nicht. Wenngleich ihr Stahl so gut wie nichts anhaben kann, so fügt ihr Silber allerdings große Schmerzen zu und kann sie töten, wenn der Angreifer geschickt vorgeht und sich aus der direkten Reichweite ihrer Pranken fernhält.
Da die Striegen der Neuzeit wohl hauptsächlich durch Flüche entstanden sind, sei an dieser Stelle noch bemerkt, dass ein solcher Fluch durchaus auch gebrochen werden kann, wenngleich dies in letzter Zeit nachweisbar nur dem Hexer Geralt von Riva gelungen ist, der bei dieser Tat selbst fast das Leben verloren hätte.
Wie genau der Fluch lautet, der eine Striege erschafft, ist nicht genau bekannt. Angeblich muss eine bestimmte Formel dafür gesprochen werden. Viel wahrscheinlicher ist es, dass der Wortlaut des Fluches relativ egal ist, sofern er mit Inbrunst und dem nötigen Hass gesprochen wird.
Im Falle der Striege, die Geralt von Riva erlöste, verfluchte der Magnat Ostrit die inzestuöse Frucht der Beziehung von König Foltest zu seiner Schwester Adda, in die Ostrit selbst verliebt war. Adda verstarb im Kindsbett und wurde ebenso wie ihre tot geborene Tochter, die auch den Namen Adda erhielt, in einer Krypta unterhalb des Schlosses in einem steinernen Sarkophag beigesetzt. Dort begann der Fluch Früchte zu tragen und das Kind Adda wuchs sieben Jahre lang zur Striege heran und terrorisierte in den darauffolgenden Jahren Wyzima und Umgebung.
Nach der Erlösung vom Fluch durch besagten Hexer wuchs die damals 14-jährige zu einer jungen Frau heran, die äußerlich ohne Makel schien, jedoch hinter vorgehaltener Hand als leicht beschränkt bezeichnet wurde. Auch entwickelte sie eine Vorliebe für rohes Fleisch, das auch als Katoblepas bekannt ist.
Vom Fluch befreite Personen können durchaus einen Rückfall erleiden, das heißt eine Rückverwandlung in die Striegenform ist jederzeit möglich. Dazu ist die Erneuerung des Fluches vonnöten.
In manchen Fällen soll eine Rückverwandlung allerdings auch dadurch ausgelöst worden sein, dass das verschlagene und finstere Wesen dieser Kreatur nach wie vor im Körper des Menschen vorhanden war und nur auf den richtigen Zeitpunkt wartete, um wieder hervorzubrechen.
Um diesem Unheil vorzubeugen, empfiehlt es sich, spezielle Schutzamulette zu tragen und regelmäßige rituelle Reinigungen vorzunehmen.
Prinzessin Adda trug zu diesem Zweck ständig einen Saphir, einen sogenannten Inklus, in dem ein Luftbläschen eingeschlossen war. Zudem wurden auf Anraten des Hexers in ihrem Schlafgemach regelmäßig Wacholder-, Besenstrauch- und Haselzweige verbrannt, um die Gefahr einer erneuten Verwandlung zu verhindern.
Leider verhinderten auch diese Vorsichtsmaßnahmen nicht, dass Adda später wieder zur Striege wurde und erneut auf Geralt von Riva traf. Historiker gehen davon aus, dass in diesem Fall sowohl der Fluch erneuert wurde als auch die Schutzmaßnahmen entweder sabotiert oder sträflich vernachlässigt worden waren. In einem solchen Fall sind selbst Hexer machtlos.

(Dan)

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Witchers News, Jg. 4, Nr. 25 vom 03.10.2012, S. 46-52


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