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Monstergrotte
Der Werwolf
So hatte es sich zugetragen…
„So halt doch keine Maulaffen feil und sprich frei von der Leber weg, Bürschchen! Ich hab die Zeit auch nicht gestohlen…“
Der mit Bürschchen titulierte junge Mann zitterte am ganzen Körper, machte das Maul allerdings nicht auf. Schweißperlen glänzten auf seinem frisch rasierten Schädel. Salamandra, notierte sich der diensthabende Wachmann in Gedanken. Noch mehr Abschaum aus der Gasse…
„Was ist nun?“ Der Wachmann nahm einen tiefen Zug aus dem überschäumenden Bierkrug, knallte ihn dann auf den massiven Holztisch und rülpste anschließend so laut und ordinär, dass selbst Jethro, der in der Ecke des Kerkers seinen letzten Rausch aus Alkohol und Fisstech ausschlief, kurz aufschreckte, die Nase hoch rotzte und sich dann wieder auf seiner Pritsche umdrehte.
„Du warst also gestern Nacht in Wyzimas Straßen unterwegs. Ich will gar nicht wissen, was du da gemacht hast, verstanden? Erzähl einfach, was du gesehen hast!“
„Es … es war ein Ungeheuer! Ich sah, wie es drei meiner Freunde angriff. Es sprang mühelos vom Dach und zerfleischte einen nach dem anderen mit seinen gewaltigen Pranken und den riesigen Krallen daran. Das Ungeheuer war etwa doppelt so groß wie ich und am ganzen Körper behaart. Es hatte ein entsetzliches Maul und die Zähne darin waren so scharf und gewaltig, dass es die Arme meiner Freunde ohne Probleme damit abreißen konnte. Und die Augen erst! Groß und tierisch und ohne einen Funken Verstand darin! Ein riesiger Werwolf! Das war einfach grauenhaft… Ich habe nur überlebt, weil ich mich rechtzeitig hinter einem Stapel Fässer verbergen konnte, von wo ich alles beobachtet habe…“
„Und was nun?“ Der Wachmann mit dem glatt rasiertem Kinn griff nach einer Hühnerkeule, die, in Gesellschaft dreier Artgenossen, auf dem Zinnteller ihrem unzweifelhaften Schicksal entgegen sahen, und riss mit seinen Zähnen ein gewaltiges Stück Fleisch davon herunter. Dem jungen Mann sträubten sich die Haare im Nacken, ohne zu wissen warum. Sprachlos sah er zu, wie die Kiefer des Mannes vor ihm das Fleisch zermahlten, es in Fetzen riss, bis der Hühnerschlegel bis auf die Knochen abgenagt war. Der Wachmann wischte sich, mit einer fahrigen Geste der Hand, das Fett von den Lippen.
„Was glaubst du eigentlich, wen du hier vor dir hast? Mir mit solch einer hanebüchenen Geschichte beim Essen in die Parade zu fahren? Glaubst du etwa, ich weiß nicht, dass du zu den Salamandra gehörst, die nachts die Straßen unsicher machen und ehrbare Bürger und Huren angreifen? Ich gebe dir einen guten Rat, Jungchen, verschwinde aus Wyzima, solange du noch kannst, bevor ich dich hier im Kerker in Ketten legen lasse. Ein Werwolf! Dass ich nicht lache! Hast wohl, wie unser Jethro hier, zu viel gesoffen, was? Geh mir aus den Augen, bevor ich dich persönlich so windelweich schlage, dass du nach deiner Mama flennst! Worauf wartest du noch? Raus hier!“
Der Wachmann erhob sich drohend. Unsicher stolperte der junge Salamandra einige Schritte zurück, fiel, rappelte sich rasch wieder auf und verschwand aus dem Kerker, so schnell ihn seine Beine trugen.
„Na also, geht doch! Hast Glück gehabt, dass ich dich letzte Nacht übersehen habe“, knurrte Vincent Meis und lachte leise in sich hinein, während er nach dem nächsten Hähnchenschlegel griff.
Der Werwolf
Der Werwolf ist eine bekannte Gestalt aus Mythen und Legenden aus aller Welt, die jedoch eines gemeinsam haben. Sie beschreiben, wie ein Mann die Fähigkeit erlangt, sich zu bestimmten Zeiten eines Monats – oft zum Vollmond – in einen Wolf zu verwandeln. In manchen Kulturen geschieht dies, indem der betreffende mit einem Fluch belegt wird, doch in moderneren Auslegungen reicht schon ein Biss, oder eine andere geringfügige Verletzung durch einen lebenden Werwolf, um den Angegriffenen, sofern er überlebt, ebenfalls beim nächsten Vollmond zu einem Werwolf mutieren zu lassen. Besonders Hollywood hat in den letzten 70 Jahren maßgeblich dazu beigetragen, dieses Bild des modernen Werwolfs zu prägen.
Allgemeine Darstellungen
Der Werwolf ist aus den Büchern und Filmen unserer Zeit nicht mehr wegzudenken. Filme wie „Der Wolfsmensch (1941)“, „Der Fluch von Siniestro (1961)“, „American Werewolf (1981)“ - der für das Make-up einen Oscar erhielt -, „Underworld (2003)“ oder Serien wie „Supernatural“, „True Blood“, „Vampire Diarys“ und andere zeigen, das Ungeheuer als Gegner von Mensch oder Vampir. Allerdings beginnt der Schrecken des Werwolfs im Lauf der letzten Jahrzehnte etwas zu verblassen, da auch komödiantische Darstellungen wie in „Teen Wolf (1985)“ das Bild des Werwolfs veränderten. In „Harry Potter und der Gefangene von Askaban (2003)“ ist der Werwolf sogar eine freundliche Gestalt, der als Lehrer in Hogwarts die angehenden Zauberer unterrichtet - ein Sympathieträger. Dies setzt sich auch in den Verfilmungen der Biss Bücher von Stephenie Meyer fort, in dem der junge Werwolf und sein Clan zwar immer noch zu gefährlichen Geschöpfen mutieren, doch die meiste Zeit als durchaus ansehnliche Menschen durch die Geschichte wandeln. Auch hier bestätigt sich die bekannte Aussage „Sex sells“ wieder einmal. Der Werwolf von heute, soll er dem jungen Publikum gefallen, muss sexy sein und gut. Zum Glück gibt es auch immer noch Filme, die den Werwolf so darstellen, wie er gedacht war, als gefährliche Bestie, nicht als Kuschelersatz...
Historischer Ursprung
Werwölfe gibt es in vielen Sagen und Mythen der verschiedensten Völker, so dass der wahre Ursprung nur schwer zu ermitteln ist. Man kann jedoch davon ausgehen, dass eine Quelle in den kultischen Festen der Skythen zu finden ist, die sich zu bestimmten Ritualen ein Wolfsfell umlegten, um so eine Vereinigung mit einem wolfsähnlichen Gott zu vollziehen. Von diesen Ritualen berichtete bereits der griechische Geschichtsschreiber Herodot (490 v. Chr. - 424 v. Chr.), so dass seine Beschreibung als erste Grundlage für den späteren Werwolfmythos gelten kann.
In der griechischen Mythologie wird zudem von Lykaon, dem König der Arkadier berichtet, der die Stadt Lykosura gründete und auf dem Berg Lykaion Menschenopfer darbrachte. Es gibt viele verschiedene Versionen des Lykaon-Mythos, von denen an dieser Stelle nur eine dargestellt werden soll.
Nach dieser hatte Lykaon mit etlichen Frauen im Laufe der Zeit 50 Söhne gezeugt, die alle anderen Menschen an Hochmut und Ruchlosigkeit weit übertrafen. Um sie zu prüfen stieg Göttervater Zeus vom Olymp herab und näherte sich ihnen in Gestalt eines armen Bettlers, der um etwas Essen bat. Sie servierten ihm ein reichhaltiges Mahl, mischten allerdings die Eingeweide eines Kindes unter die Speisen. Zeus aber fegte diese erzürnt vom Tisch, als er den Frevel bemerkte. Zur Strafe verwandelte er Lykaon und seine Söhne in Wölfe. Nur den jüngsten Sohn verschonte er.
Im Mittelalter gab es zahlreiche Werwolf-Prozesse, zumeist in Gegenden, die von einer Überpopulation von Wölfen geplagt wurden. Zumeist waren es Hirten, denen Lykanthropie, das Wolfsmensch-Dasein, vorgeworfen wurde und die man für dieses Vergehen auch ohne zu Zögern hinrichtete. Als Ursprung für die Lykanthropie sah man die Hexen und ihre Zauberei an, den Werwolf hingegen als Wesen, das weder Mensch noch Tier war, sondern ein Trugbild des Teufels, das es zu beseitigen galt.
Der bekannteste Werwolf-Prozess der damaligen Zeit fand 1589 in Bedburg bei Köln statt: Der Bauer Peter Stubbe (auch Stübbe oder Stump) wurde zusammen mit seiner Tochter und seiner Geliebten hingerichtet, weil er angeblich mindestens 13 Kinder umgebracht und sich an zwei Mädchen vergangen haben sollte. Es ist allerdings umstritten, ob es sich hierbei wirklich um einen Werwolf-Prozess, oder um ein inszeniertes Gerichtsverfahren gegen einen politisch unbequemen Mann gehandelt hat. Der Fall traf jedoch in den europäischen Nachbarländern auf so große Resonanz, dass dort auf Flugblättern, teilweise mit Holzschnitten geschmückt, von den tatsächlichen, oder angeblichen Gräueltaten des Peter Stubbe in allen Einzelheiten genüsslich berichtet wurde. Seither trug der Werwolf im Gebiet zwischen den Flüssen Erft und Rur den Namen Stüpp.
Eine weitere Erklärung für die Existenz von Werwölfen ist die Tollwut. Diese Krankheit wird bekannter weise durch den Biss eines Tieres übertragen. Die Symptome, die der Betroffene zeigt, passen sehr gut zu der Darstellung von Werwölfen. Der mit Tollwut infizierte bekommt Anfälle, bei denen er wild um sich zu beißen beginnt. Er entwickelt Angst vor Wasser, aber zugleich verspürt er auch starken Durst, was zu spastischen Schluckkrämpfen führt. Die Menschen im Mittelalter sahen darin die eindeutigen Anzeichen für eine Verwandlung in eben jenes Tier, von dem er gebissen wurde und handelten nicht selten im Sinne ihres Aberglauben (Werwolf-Prozesse).
Als letztes Beispiel mag das Phänomen der Hypertrichose genannt werden, welches meist genetischen Ursprungs ist. Der Betroffene leidet unter einer starken Überbehaarung, die den ganzen Körper befällt und auch an sonst nicht behaarten Stellen auftritt. Diese, auch Wolfsmenschen genannten Individuen, waren in früheren Jahrhunderten in vielen Fällen der Schaulust ihrer Umgebung ausgesetzt und fristeten nicht selten ein Dasein als Sensation in einem Wanderzirkus oder Gruselkabinett, wo sie ihren Lebensunterhalt verdienten. In der Renaissance waren die Wolfsmenschen begehrte Kuriositäten an europäischen Königs- und Adelshäusern, an denen sie unterrichtet und so Teil des Hofstaats wurden. Man kann davon ausgehen, dass viele sich nur bei Nacht aus dem Haus wagten, oder von ihren Eltern herausgelassen wurden. Das würde erklären, warum sie nur bei Vollmond zu sehen waren. Diese Wolfsmenschen existieren auch noch in unserer heutigen Zeit.
Schwächen eines Werwolfs (in The Witcher)
Werwölfe sind in ihrer tierischen Gestalt nicht mehr mit menschlichen Maßstäben zu bewerten. Sie sind aggressiv und greifen ihre Opfer offensiv und mit Mordlust an. Sie sind immun gegen konventionelle Waffen, oder Munition aus Stahl, da sie sich von den Verletzungen, die ihnen diese Waffen zufügen, rasch erholen. Gerüchten zufolge stirbt jedoch ein Werwolf, wenn er eine Mondfinsternis erblickt. Ausreichend mit Beweisen belegt ist diese Aussage jedoch nicht. Silber ist somit das einzige wirksame Mittel, um einen Werwolf auf Dauer loszuwerden.
Es gibt zudem die Möglichkeit den Betroffenen Menschen von seiner Lykanthropie zu heilen. Ein Trank aus Hundspetersilie und Jungfrauentränen, mit wahrer Liebe verabreicht, befreit den Betroffenen von seinem Wolfsdasein, manchmal jedoch nicht von der tierischen Lust am Töten, die in ihrer Existenz als Werwolf ein Teil ihres Wesens war.
(Dan)
Witchers News, Jg. 3, Nr. 20 vom 01.12.2011, S. 34-37
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