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The Witcher 2: Assassins of Kings


Entwicklertagebuch #2: Die Spielengine – Teil 1

Schon beim Verkaufsstart von The Witcher arbeitete man an einer neuartigen Engine, die schon bei der Entwicklung von The Witcher in ihrer Grundidee geplant wurde. Diese Arbeit dauerte ganze 1 ½ Jahre, denn es brauchte seine Zeit, bis man einen Prototyp und die Grundfunktionen zusammengestellt hatte.

Implementierung der Story

Um ein Spiel zu programmieren, muss man Charaktermodelle, Dialoge und Schauplätze miteinander kombinieren, weshalb ein Programmierer gleichzeitig Erzähler, Regisseur und Scriptwriter sein muss, um Emotionen und Handlungen spielernah zu entwickeln. Da man nicht wollte, dass TW2 in irgendeiner Weise Grenzen gesetzt würden, entwickelte man neue Tools und einen neuen Weg zum Erzeugen von spielinternen Situationen und Quests, sodass die einzige Grenze nur durch die Fantasie der Entwickler gesetzt werden kann. Zum Erstellen und Einbauen einer Quest in TW2 wird im Vorfeld ein Prototyp angelegt und schließlich mit dem neuen Haupt-Design-Tool bearbeitet. Das Haupt-Design-Tool stellt eine grafische Art des Programmierens dar, mit dem man auf dem Bildschirm den Plot bauen kann und diese visuellen Mittel dann in die spieleigene Sprache umgesetzt werden. Die Haupteigenschaft der neuen Engine ist, dass mit ihr nun sowohl ganze Strukturen wie Häuser, Bäume und Wiesen als auch Charaktere einfach kopiert und eingebettet werden können, um diese dann auf die Anforderungen anzupassen. Durch dieses neue Verfahren ist die Erstellung von neuen Quests und spielinternen Situationen im Vergleich zum ersten Teil, nun zwei- bis dreimal schneller. Anhand dieser neuen Engine war es nun auch das Bestreben des Entwicklungsteams TW2 näher an einen Film heranzubringen, ein Spiel zu erschaffen, das Ereignisse in einer ganz neuen Art und Weise zeigt. Somit wurde auch ein neues Dialogsystem erschaffen, welches nun, wie es im Vorgänger der Fall war, die Entwickler nicht mehr dazu zwang Charaktere an einem bestimmten Ort zu platzieren und Spielsituationen durch Cut-Scenes zu unterbrechen, sondern nun die Möglichkeit eröffnete Szenen „on-the-fly“, also direkt am Handlungsschauplatz und in jeder Situation, ablaufen zu lassen. In The Witcher lief ein Dialog immer nach dem Schema F ab, nämlich der Tatsache, dass drei handlungswichtige Charaktere festgefroren an einem bestimmten Ort miteinander sprachen und nicht mehr wirklich in das Treiben der Umgebung integriert waren. Nun jedoch, und das ist bemerkenswert, können Charaktere dem Gespräch frei beitreten, wenn sie auftreten sollen, und diese an bestimmten Punkten auch wieder frei verlassen, sodass eine realitätsnahe Spielsituation zustande kommt. Ebenso hat man die Interaktion von NPCs verbessert, denn in The Witcher konnte keine direkte Interaktion außer dem Kampf stattfinden; nun, in TW2, können Charaktere einander die Hand reichen, sich umarmen oder sich Ohrfeigen geben, also direkt miteinander interagieren.

Handlungsschauplätze

Man entwickelte die Engine direkt für TW2, das heißt, dass z. B. die Grafik-Designer direkten Einfluss auf die fertige Version nehmen konnten, denn sie bestimmten, was für ihren Bereich in die Engine integriert werden musste. Dies wiederum bedeutet natürlich, dass die Ideen der Designer 1:1 im Spiel realisiert werden konnten. Durch diesen Umstand entstehen wiederum auch keine Probleme bei der Erstellung von Lichteffekten und der passenden Atmosphäre eines Settings. Durch diese Verbesserung ist es nunmehr möglich, durch einen hohen Detailgrad und Einfluss aus den Erfahrungen der Entwickler, dass dem Spieler ein höchstgradig realistisches Bild geboten werden kann. So wird man in der finalen Version eine sehr wirklichkeitsnahe Welt bestaunen können, denn die Detailverliebtheit der Entwickler geht ins Tausendstel, so dachte man vom kleinen Kieselstein vor einer Haustüre bis zur mächtigen Burg, die sich in weiter Ferne aus dem Nebel gegen den Himmel abhebt. Im Gegensatz zum Vorgänger werden Lichtquellen nun nicht mehr in einer Light-Map programmiert, sondern in Echtzeit berechnet, wodurch sich neue Möglichkeiten ergeben. So wird man in der finalen Version einen sehr realistischen Schattenwurf, einen verbesserten Tag-Nacht-Wechsel als im Vorgänger, sowie lebendiger angestrahlte Objekte bewundern können. Ebenfalls wird dadurch die Spielspannung verbessert, da für jedes Setting eine eigene Atmosphäre entworfen werden kann, die sich schließlich, durch klug gesetzte Lichtquellen, in Schimmer, Schatten und beklemmender Realität äußern. Ein weiterer entscheidender Punkt ist, dass die Engine nicht nur von einer kleinen Gruppe entwickelt wurde, sondern jedes Teammitglied hierbei mitgearbeitet hat. So wurde keine Engine nur für Grafiker erschaffen, sondern eine Arbeitsumgebung, in der alle Ideen, Anforderungen und Notwendigkeiten des gesamten Teams stecken, was wiederum den nötigen Handlungsspielraum für alle Abteilungen der Entwickler gewährleistet.

NPCs und Hintergrundcharaktere

Ein großes Problem mit dem The Witcher zu kämpfen hatte, war, dass man ein und dasselbe Charaktermodell wieder und wieder sah, in verschiedensten Rollen und unter anderem Namen. Dieser Mangel an Vielfältigkeit führte dazu, dass der Spieler schnell unbeeindruckt an der Szenerie vorüberzog. Durch eine neue Art des Spawnens gleicht die neue Engine dieses Manko aus, denn mit ihr setzt man auf das Prinzip des Zufallsgenerators. Damit können über ein Dutzend NPCs mit nur einem einzigen Charaktermodell erzeugt werden. Jedes Modell besteht aus einer Vielzahl an möglichen Zusammenstellungen vorgefertigter Bestandteile wie Armen, Torsos, Beinen, Jacken, Hemden, Kopfbedeckungen, Haaren, Hosen, Schuhen und Accessoires. Somit unterscheiden sich die gespawnten NPCs nicht nur in der Farbgebung der Kleidung, sondern nun auch in verschiedenen Kleidungskombinationen und Accessoires, die sie bei sich tragen, wie beispielsweise Messer oder Beutel, die an ihren Gürteln baumeln. Gesichter wurden, im Gegensatz zum Vorgänger, verfeinert und an den Körper angepasst. So ergaben sich im Nachhinein über 100 verschiedene Gesichtstexturen. Story-NPCs heben sich nun deutlich von der Masse ab, da jeder von ihnen gründlich durchdacht, gefertigt und geschliffen wurde, bis man mit dem Ergebnis zufrieden war. Dieser Schritt dauerte lange, denn man musste einige dieser Nebencharaktere von der Masse abheben. Eine weitere Neuerung ist ein neues Physik-System für Bewegungen der Charaktere und der Gegenstände an den Charakteren, die nunmehr in Echtzeit mitberechnet werden. Als Beispiel: Geralts Pferdeschwanz ist kein eigens animiertes Objekt, sondern die Bewegung seines Haars orientiert sich direkt an Geralts Bewegungen. Dieses System ist sehr aufwendig, denn man musste spezielle Parameter, wie Masse, Bewegung, Bewegungsgeschwindigkeit und wie die Teile des Ganzen aufeinander Bezug nahmen, ausarbeiten. Natürlich ist dieses System dann auch übertragbar auf alle Gegenstände, die der Charakter an seiner Rüstung mit sich führt und auch die Rüstungsteile selbst.

Animationen

Viele Dinge in TW2 leben ausschließlich durch Belebung der Gesichter, Körper und Bewegungsabläufe, für welche ebenfalls ein eigenes Tool entwickelt wurde. Für Gesichtsanimationen beispielsweise wurde ein neues Verfahren entwickelt, welches sie automatisieren und erleichtern soll und sie gleichzeitig auf verschiedene Kopfmodelle anpassbar macht. Dadurch können neue Ideen und Entwürfe nun schneller und effizienter in das Spiel eingebaut werden. Die Erstellung ist einfach, doch „eine coole Animation, die auch spielfertig ist“ sei ein ganz anderes Kaliber. Animationsentwürfe für TW2 werden in ihrer Grundform entwickelt und ins Spiel gegeben, die noch rohe Form gibt dort Aufschluss darauf, wie das fertige Produkt schließlich einmal aussehen soll. Nach diesem ersten Test wird die Animation im hauseigenen Animationsstudio aufgenommen und erneut ins Spiel eingegeben, danach wird sie aufpoliert und verfeinert, bis man zu einem zufriedenstellenden Produkt gelangt, das wiederum Einzug ins Spiel findet.

Die neue Engine wurde also entwickelt, um das Spielgefühl des Gamers deutlich zu verbessern. In der Realität des Spielers sieht die neue Engine dann weniger komplex aus, als sie in Wirklichkeit ist und das ist es, was die Jungs von CDPR erreichen wollen - und sie hoffen inständig, dass die Erfahrung der Spieler auch genau so sein wird!

(N)



Witchers News, Jg. 3, Nr. 15 vom 01.02.2011, S. 4-6


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