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Thief. Der Gedanke hinter der Namensgebung des kommenden Next-Generation-Titels sagt schon alles. Indem Square Enix' Entwicklerstudio Eidos Montréal die "4" aus dem genaueren Arbeitstitel "Thief 4" strich, stellte es sich einem Spagat zwischen Neu und Alt. Sowohl Neueinsteiger ohne Vorwissen als auch Liebhaber der klassischen Thief-Trilogie sollen auf ihre Kosten kommen.
Eidos Montréal hat sich hohe Ziele gesteckt, unter denen ein Titel wie "Game of the Year 2014" beinahe harmlos scheint. Denn wenn eine Serie, die 1998 ihren Anfang fand und seit 2004 als beendet galt, noch heute von einer treuen Fanbase gespielt, erweitert und auf jeder Top-10-Liste ehrenhaft erwähnt wird, sind die Erwartungen astronomisch.
Eidos Montréal ist zuversichtlich: Ihr voriger Titel "Deus Ex Human Revolution" verkaufte sich hervorragend, gewann zahlreiche Awards sowie den Respekt vieler anspruchsvoller Deus-Ex-Fans. Zwar arbeiteten andere Köpfe an Thief, doch die Philosophie und Ambitionen des Studios sind nach eigenen Aussagen dieselben. Um Thief (4) einschätzen zu können, muss man verstehen, was die Originale auszeichnete.
Für Spieler um 1998 sah Thief: The Dark Project zunächst nach 3D-Ego-Shooter aus, heute gilt es mit seinen Nachfolgern als prägendes Flaggschiff des Stealth-Genres. Das Thief-Universum ist vielschichtiger, als die düstere, mittelalterlich bis viktorianisch anmutende Stadt ahnen lässt. Es ist eine von Mysterien durchzogene Welt, welche demonstriert, warum weniger mehr sein kann. Über die Hintergründe und Umfänge der Stadt, die kaum Tageslicht sieht, ranken sich mehr Fragen als Antworten. Selbst "Held" und Meisterdieb Garrett scheint nicht viel über seine ehemaligen Mentoren, den Geheimorden der Hüter, zu wissen. Sie bewahren die Stadt aus dem Verborgenen, wohingegen die religiöse und erbarmungslose Bruderschaft der Hammeriten sie offen im Griff hält. Letztere verhindert, dass verborgene Mächte ihren Platz zurückzufordern und die Stadt in ein Zeitalter der Dunkelheit ziehen. Mysterien, Fantasy, Steampunk und das Übernatürliche zerfließen ineinander, und Garrett wird Teil des Ganzen – auch wenn ihm nichts ferner läge als Politik und Heldentaten.
Die Optik der Serie inspirierte zuletzt "Dishonored", was Thief (4) durch einen nach Noir klingenden Stil ergänzen möchte: Nebelverhangene Straßen, in denen sich Silhouetten von Personen abzeichnen.
Inwieweit Eidos Montréal der Story der Vorgängerteile folgt, so bleiben sie ein ausführliches Interview schuldig, doch den Kernpunkten wollen sie treu bleiben. In Thief (4) sucht eine Pest selbige Stadt heim, Arm und Reich driften auseinander, der tyrannische Baron schlägt Aufstände nieder und "alte Bekannte" werden Garrett in die Mitte des Geschehens zerren. Ziel ist, eine erwachsene Story, Welt und Charaktere zu schaffen, wie es die Witcher-Serie vormachte.
In Genre-fremden Spielerkreisen scheint eine Horrorvorstellung von Stealth-Gameplay vorzuherrschen, was nicht verwundert. Viele Spiele liehen kurze, vereinfachte Stealth-Einlagen unter anderem von Thief. Man hört Let's Player aufatmen, wenn sie die aufgezwungenen Stealth-Passagen bewältigt haben und schießen dürfen – da weiß man wenigstens, was man tut. Und das, obwohl sie meist nichts weiter tun mussten, als einem vorgezeichneten Pfad zu folgen und Hinweise der Gamedesigner zu deuten, wann man von einer Deckung zur nächsten huschen darf.
Thief baut ähnliche Anspannung auf, doch die Frage "Sieht er mich oder sieht er mich nicht?" ist kein Rätselraten. Ein Lichtkristall verdunkelt sich für den Spieler, wenn er sich in den Schatten verbirgt.
Die Thief-Vorgänger stellen dem Spieler Karte und Kompass, ehe sie ihn in weitläufige, offene Gebiete werfen. Vordefinierte Wege gibts es nicht. Welche Wege man wählt und wie man vorgeht, steht frei, solange die nötige Beute eingesackt und Garretts jeweiliges Vorhaben erfüllt wird. Thief (4) unterstreicht das noch weiter, indem die gesamte Spielwelt von den Straßen zu den Dächern frei begehbar ist, ohne dass man beim Start eines Coups einen neuen Abschnitt lädt. Wer kundschaftet, findet mehrere Eingänge. Wer aufmerksam Gesprächen auf Straßen, Pubs und Häusern lauscht, erfährt von lohnenswerten Nebenverdiensten.
Schon in den Vorgängern diente eine Vielzahl von Ausrüstungsgegenständen je nach Situation zum Verstecken, zur Flucht und zum Kampf gegen die Wächter, Kultisten, Assassinen, Dämonen, Monster und Untoten der Welt. Über die Ausrüstung in Thief (4) ist nur wenig bekannt, doch man folgt der Tradition: Ein Knüppel betäubt Gegner aus dem Hinterhalt. Niemand MUSS getötet werden. Garretts Waffe der Wahl ist ein Klappbogen und eine Reihe von Spezialpfeilen. Trockeneispfeile können entfernte Fackeln löschen. Rauchpfeile dienen zur Ablenkung und Flucht, während sich der Kletterhaken von selbst erklärt. Dieser basiert auf den Seilpfeilen der ersten beiden Teile, mit deren Hilfe man jegliche hölzerne Oberfläche erklimmen konnte. Wer sich mit gewöhnlichen Pfeilen begnügen will, kann das tun.
Ausrüstung legt man sich nach Vorlieben von Händlern auf dem Schwarzmarkt zu, nachdem man dort seine Beute zu Gold gemacht hat.
Was Garrett früher an Geschick mitbrachte, musste der Spieler oft mit Aufmerksamkeit aufwiegen. Die Vorgänger waren gespickt mit Geheimverstecken und verborgenen Passagen, wofür Thief (4) erstmals eine spezielle Fähigkeit einführt, welche Hinweise hervorheben soll. Diese Fähigkeit erweitert zudem Garretts restliche Talente: Schlösser sind einfacher zu knacken, fremde Taschen leichter zu plündern, und im Falle eines Kampfes lassen sich Körpersektionen der Gegner auswählen, um Ketten-Angriffe auszuführen und eine Gelegenheit zur Flucht zu schaffen. Kampf ist eine Option, aber auf Dauer keine verlockende, denn diese erweiterbare "Fokus"-Fähigkeit muss (wie alles andere) sparsam und wohlbedacht eingesetzt werden.
Mit optionalen Einstellungen und Schwierigkeitsgraden hofft man, Gelegenheitsspieler als auch das Urgestein unter Fans und Gamern zu befriedigen, welche keine Hinweise, Minimaps und Wegweiser schätzen. Nach Thief-Tradition ist mit einem Schwierigkeitsgrad zu rechnen, der verbietet, Gegner zu töten – ein professioneller Meisterdieb hat seinen Stolz.
Nicht zuletzt ist Thief (4) ein Vorreiter der kommenden Konsolengeneration, so dass die Grafik nicht überraschen sollte. Man zielt hierbei hauptsächlich auf besseres Eintauchen in die Spielwelt ab. Wie die Vorgänger spielt man weitestgehend aus der First-Person-Perspektive, mit einem dezenten HUD, zu dem das erwähnte Lichtjuwel zählt. Ebenso authentisch sollen die Cutscenes des Spiels wirken, wobei alle Akteure einer Szene sowie deren Bewegungen, Sprache und Mimik gleichzeitig aufgenommen werden.
Sowohl zum Eintauchen als auch zur Realitätsnähe und Herausforderung sollen die Gegner gerissener handeln. Sie werden misstrauisch, wenn die Zahl der gelöschten Fackeln sich häuft und entzünden diese erneut. Sie kennen ihr Revier und so manch ein Versteck, welches auf flüchtende Spieler verlockend wirken könnte.
Der Titel wurde für das Jahr 2014 angekündigt und erscheint auf der PlayStation 4, der Xbox 720 und selbstredend auf dem PC. Ein erster Trailer wurde bereits veröffentlicht, Ingame-Material sowie ein ausführliches Interview über die Story stehen noch aus. Man darf gespannt bleiben, ob Eidos Montréal an ihren letzten Erfolg anknüpfen und den Klassikern einen würdigen Nachfolger präsentieren kann.
Sercil (Gastschreiber und Webmaster von Thief-Universe)
Weiterführende Links:
Thief-Foren im WoP-Netzwerk:
http://forum.worldofplayers.de/forum...play.php?f=636
Homepage von Thief-Universe:
http://www.thief-universe.com/
Witchers Journal, Jg. 1, Nr. 1 vom 01.07.2013, S. 23-25
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