Review

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The Witcher: House of Glass

- Experiment oder Geniestreich


Seit März 2014 hat CD Projekt RED sein The Witcher-Franchise um ein weiteres Unterfangen ergänzt. Zusammen mit Dark Horse, einem renommierten US-Comic-Verlag, gibt die polnische Spieleschmiede eine fünfteilige Reihe mit dem Titel „House of Glass“ (Haus aus Glas) heraus. Wie es sich gezeigt hat, scheiden sich die Geister an der Miniserie: zu oberflächlich gezeichnet, zu flach die Story sagen die einen – mit künstlerischem Anspruch und klasse Geschichte die anderen.

Klar fand ich auch den Stil von CDPRs Comic-Erstschlag „Racja stanu“ (Staatsräson) rein subjektiv betrachtet ästhetisch ansprechender: bunt, doch nicht aufdringlich und mit warmen Farben in überwiegend Brauntönen, klare Linien, zeichnerisch ausgearbeitete Figuren und Settings, und trotzdem im Comic-Stil, um nicht zu sagen dem einer „grafic novel“, einer waschechten gezeichneten Erzählung. Da kommen mir die oftmals liederlich und grob skizziert wirkenden Bildchen eines Joe Querio nicht so angenehm daher. Eisner Award-Preisträger hin oder her, es bleibt Geschmackssache. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass CDPR hier lediglich versucht – nachdem sie Europa schon fest in ihren Bann gezogen haben – nun auch das amerikanische Publikum für sich zu begeistern. Und was wäre da besser geeignet, über dem Großen Teich Neugier auf den dritten The Witcher-Ableger zu wecken, als dem krassen Comic-Faible der Amis zuzuspielen und ihnen eine Helden-Bildergeschichte im Stile von „Hellboy“, „Batman“ oder „Buffy, die Vampirjägerin“, zu präsentieren? Ein geschickter Schachzug, so gesehen.

The Witcher: House of Glass, Hefte 1-2 und Sondercover des Sammelbandes


Objektiv betrachtet kann ich dieser Comic-Interpretation durchaus ihren Reiz abgewinnen. Dass hier und da ein Gesicht auf seine Umrisse reduziert wird, konzentriert auf das Wesentliche; die Szenerie wird beherrscht vom Tuscheschwarz, die Farben sind eher düster, oft schemenhaft und verwaschen – es unterstreicht einfach die Horroratmosphäre des Inhalts und Carlos Badilla hat hier als Colorist tatsächlich einen tollen Job gemacht; manchmal kantig-grob, dann wieder voller Details mit feinen Strichen – das macht Dynamik aus und zeigt par excellence, wie eine Handlung nur mit Stift und Papier erzählt werden kann. Und genau das ist schon die halbe Miete bei einem guten Comic.
Sogar CDPR fand eines der Monster so gut ausgearbeitet und gestaltet, dass sie sich entschlossen, Querio's Version in das schwer in Arbeit befindliche „The Witcher 3: Wild Hunt“ zu übernehmen [1]. Das dürfte vieles über die Qualität der Zeichnungen und des Inhalts sagen. Rein objektiv.

An der Geschichte wiederum habe ich wenig auszusetzen, obwohl es auch hier Leute gibt, die sich total gelangweilt davon finden oder denen sich die Handlung einfach zu schnell entwickelt und sich zu wenig Zeit für die Charaktereinführung und -entwicklung lässt [2]. Ich kann nur sagen: Ist man erst einmal mittendrin und lässt sich auf die Story ein, hat es einen auch schon in den Bann gezogen. Und am Ende eines Heftes will man unbedingt wissen, wie es weitergeht!
Textautor Paul Tobin sagte in einem Interview mit Big Comic Page [3], dass er alle Witcher-Games gespielt und alles gelesen habe, was von Sapkowskis Büchern auf Englisch verfügbar war. CDPR muss ihm sogar eigene Übersetzungen geliefert haben, damit er sich komplett in Geralts Welt und Wesen einfühlen konnte. Gute Vorarbeit wurde demnach mit großer Sicherheit geleistet. Eine klassische Witcher-Story nach Art des Meisters AS braucht man jedoch nicht erwarten. Zwar hat Geralts braves Pferdchen Plötze seinen Part, es gibt eine Prise Humor hier und da (wie der Ertrunkene, der sich natürlich nicht durch Ersäufen loswerden lässt) sowie einige Ungeheuer, die wir aus den Büchern oder den Spielen kennen und noch kennenlernen werden (hier sei nur der Leshen/Waldschrat erwähnt). Dennoch überwiegt etwas untypisch der Horror-Aspekt: Ein harmlos/bedauernswert wirkender Jägersmann, eine schaurig-schöne Bruxa, dann ein geheimnisvoller Wald, alt und dunkel und nur so von Monstern gespickt, dazu das „Haus aus Glas“ mit etlichen verfluchten Heimsuchungen für unseren Hexer … Wird so auch die Primärstimmung im dritten Witcher-Teil aussehen? Vermutlich. Die Comic-Story bietet jedenfalls genug Material für Witcher-Fans und -Gönner, Geralt bei der Arbeit zu beobachten, wieder mit ihm zu rätseln, zu fiebern und auch zu kämpfen. Und das wiederum mögen sie.

The Witcher: House of Glass, Hefte 3-5


Für mich sind die Comics ein Experiment mit Potential, verbunden mit dem Wunsch, dass es auch CDPR den ersehnten Effekt und zahllose neue Spieler + Fans beschert. Ich für meinen Teil werde die Hefte weiter lesen. Sie sind eine willkommene Einstimmung auf den mindestens ebenso mysteriös und düster daherkommenden Abschluss der Witcher-Trilogie, der uns im Februar nächsten Jahres erwartet.

Interessant zu wissen ist noch, dass parallel zur englischen Originalausgabe bei Dark Horse eine polnische Fassung erschien, die allerdings nur digital im Download bei Dark Horse verfügbar ist. Des Weiteren ist zum Herbst 2014 ein Sammelband geplant, der alle fünf Hefte enthalten wird und auch in mehreren Sprachen herausgegeben werden soll. Beispielsweise kümmert sich der Verlag Белый Единорог (Weißes Einhorn) um die russische Version; der deutsche Sammelband hingegen liegt in den Händen von Panini und ist für Oktober 2014 zum Preis von 16,99 EUR angekündigt [4]. Last but not least macht die Angabe im Titel „vol. 1“ durchaus Hoffnung, dass die gezeichneten Abenteuer des Hexers Geralt von Riva eines Tages sogar ihre Fortsetzung finden könnten.

(Dove)

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Quellen:
[1] Rhymes with Geek­-Interview mit Paul Tobin – This May Be Overkill: On the hunt with Paul Tobin
[2] TheWitcher #1, Review by DavidMelton
[3] BCP Interview – Paul Tobin talks Witcher, Prometheus and Colder 2!
[4] Panini­-Programmvorschau, 2. Halbjahr 2014

Weiterführende Links:



Witchers Journal, Jg. 2, Nr. 4 vom 01.06.2014, S. 5-7


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