Geschichten


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Rabenherz


Kapitel 13

Satt und zufrieden lehnte ich mich auf dem Sofa zurück. Jetzt ging es mir schon viel besser. „Genau das hab ich jetzt gebracht. Danke Tuomas“
„ Nichts zu danken. Freut mich, dass es dir geschmeckt hat“ Tuomas sah zu mir, musterte mich dann „Oh, du… hast da ein wenig Tomatensoße am Mund…“ meinte er, und schon im nächsten Moment hatte er sich zu mir gebeugt und wischte mir den Fleck sacht vom Mundwinkel. Ich war etwas überrascht, rührte mich nicht von der Stelle und konnte nicht anders, als ihm wieder direkt in die Augen zu schauen. Er war mir wieder so nahe…

Auch Tuomas hatte in der Bewegung inne gehalten und blickte mich ebenfalls an. Es war wie gestern Abend auf der Brücke. Stillschweigend blickten wir uns gegenseitig in die Augen, nicht im Stande uns abzuwenden. Und bevor ich wusste wie mir geschah hatte er mich geküsst. Sein Kuss war sanft, nicht drängend und abermals wunderschön. Doch kaum hatte ich den Kuss erwidert löste er sich auch schon wieder von mir. Er war leicht rot geworden „Ääähm, ich… ich glaube, wir sollten besser schlafen gehen…. Es ist spät geworden…“ stotterte er verlegen.
Ich versuchte mir meine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. Warum hatte er so schnell wieder abgebrochen? Hatte er auf einmal kalte Füße bekommen? „Ja, das… wäre wohl das Beste…“ antwortete ich leise. Meine Wangen hatten sich ebenfalls rot gefärbt und ich traute mich nicht, ihm wieder in die Augen zu blicken. „Also dann… Gute Nacht…“
Ich machte mich daran ins Bad zu humpeln. Tuomas hätte mich zwar sicher wieder getragen, doch es erschien mir nicht richtig, ihn das jetzt zu fragen…

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Warum er den Kuss so schnell beendet hatte, konnte Tuomas nicht genau sagen. Irgendwie war es ihm in diesem Moment nicht richtig vorgekommen. Er wollte nicht, dass sie sich in irgendeiner Weise bedrängt fühlte. Doch er kam sich auch wie ein Feigling vor. Gestern Abend noch hätte er sie liebend gerne noch einmal geküsst und nun machte er einfach einen Rückzieher. Was war nur los mit ihm? Dieses Mädchen hatte ihm anscheinend völlig den Verstand geraubt. Er sollte ebenfalls schlafen. Morgen war ja auch noch ein Tag.

Er konnte ja nicht wissen, dass Janni am nächsten Morgen schon verschwunden sein und er sie lange Zeit nicht mehr sehen würde.
Sonst hätte er vermutlich anders gehandelt.

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Ich erwachte, als der erste Sonnenstrahl meine Nase kitzelte. Verschlafen blinzelte ich. Es war noch sehr früh und ich hätte gerne noch weiter geschlafen, doch leider ging das nicht. So schwer es mir auch fiel, ich musste nun gehen, denn bald sobald die Sonne vollständig aufgegangen war, würde ich wieder ein Rabe sein und ich durfte nicht riskieren, dass Tuomas das mitbekam. Ich verschwendete keine Zeit um ins Bad zu gehen, tapste leise durch den Flur.

Ich hätte durch die Haustür verschwinden können und das wäre auch sicherer gewesen, doch ich wollte Tuomas noch ein letztes Mal sehen.
Leise schlich ich mich ins Wohnzimmer, wo Tuomas wie erwartet noch friedlich auf dem Sofa schlief. Er sah zufrieden aus. „Es tut mir leid Tuomas“ flüsterte ich leise, spürte Tränen in mir aufkommen. Die Zeit mit ihm war so schön gewesen… Es schmerzte, ihn verlassen zu müssen, aber ich hatte keine Wahl
Die Sonne stieg immer höher. Ich hatte keine Zeit mehr. Schnell schrieb ich noch eine Nachricht für Tuomas und legte sie ihm auf den Couchtisch, wo er ihn bestimmt finden würde.

Schweren Herzens wandte ich mich von ihm ab und ging auf Zehenspitzen zur Terrassentür, öffnete diese und verschwand nach draußen. Ich warf keinen Blick zurück, denn sonst hätte ich die Tränen nicht mehr zurückhalten können.

Es dauerte nicht lange und ich spürte, dass sich etwas veränderte. Mein ganzer Körper fing an zu kribbeln und ich merkte, dass meine Zehen und meine Nase länger und schmaler wurden. Mein Gesicht wurde ebenfalls in die Länge gezogen und meine Augen wurden kleiner und runder. Auch meine Kleidung begann sich zu verändern. Sie lag nun ganz eng um meinen Körper und wurde zu Federn. Meine Hände hatten sich bald in Flügel verwandelt. Noch dazu begann ich immer mehr zu schrumpfen. Es war ein unangenehmes Gefühl, doch zum Glück dauerte es nicht allzu lange.

Schon kurze Zeit später hatte ich mich wieder in einen Raben zurück verwandelt.

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Tuomas träumte wieder. Oder zumindest dachte er das. Denn das, was er gerade sah, konnte unmöglich real gewesen sein.
Er sah seine Janni auf der Wiese vor seinem Haus stehen. Die Sonne war gerade aufgegangen und beleuchtete sie. Doch, sobald das Sonnenlicht sie traf, begann Janni sich zu verändern und einige Augenblicke später flog ein Rabe in Richtung Wald davon. „Schon wieder so ein Traum…“, dachte er verschlafen, drehte sich auf die andere Seite und schlief weiter…

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Ich ließ mir Zeit mit dem Rückflug, versuchte mich nicht von meiner Trauer überwältigen zu lassen. In einem Monat, wenn ich ihn wiedersehe, würde ich es ihm sagen. Das nahm ich mir fest vor. Die erste Hürde war schon mal genommen. Da er mich nun kannte, war der nächste Schritt leichter und ich hatte ja genug Zeit mir zu überlegen, wie ich es ihm sagen würde.

...

Ich machte mir nicht die Mühe durch die Haupthalle zu fliegen. Stattdessen flog ich gleich zu Miro‘s Hütte und durch das zum Glück geöffnete Fenster. Er schlief noch, was auch kein Wunder war. Schließlich war es ja noch früh am Morgen. Ich landete auf der Bettkante und stupste ihn sacht an. Er sollte wissen, dass ich wieder zu Hause war. Es dauerte nicht lange, da begann er sich auch schon zu regen, öffnete seine Augen ein Stück und blinzelte verschlafen.
„Hei Sulka“, flüsterte er, als er mich entdeckte und gähnte. „Hei Miro“, entgegnete ich in Gedanken. Mein Freund schenkte mir ein verschlafenes Lächeln, streckte dann langsam den Arm aus, um mich kurz zu streicheln. „Freut mich wirklich, dass du wieder hier bist. Aber du hast doch sicher nichts dagegen, wenn ich noch ein wenig schlafe? So früh wollte ich eigentlich nicht aufstehen“, teilte er mir in Gedanken mit.
Ich schüttelte den Kopf. Ich war ja schließlich selbst noch sehr müde, hatte ihn nur begrüßen wollen. „Gut.“ Er gähnte wieder und schloss gleich darauf seine Augen. „Dann gute Nacht“, murmelte er noch. Ich machte es mir neben ihm bequem, schmiegte mich leicht an ihn und tat es ihm gleich.

(Ani)

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Witchers News, Jg. 3, Nr. 17 vom 01.06.2011, S. 28-30


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