Geschichten


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Rabenherz


Kapitel 12

Wir lagen im Kies am Ufer des kleinen Sees, außerhalb des Waldes und faulenzten. Es war einfach herrlich und ich genoss jede einzelne Sekunde. Die Sonne schien warm auf unsere Gesichter und wir lauschten den Geräuschen, die aus dem Wald zu uns drangen, dem leisen Rauschen des Windes, dem Rascheln der Blätter, dem sanften Plätschern der Wellen und dem fröhlichen Vogelgezwitscher.

Etwa in der Mitte des Sees befand sich eine kleine Insel, auf der ein Häuschen mit Sauna stand. Sie gehörte Tuomas und er hatte mir erzählt, dass er sich dort sehr gerne aufhielt, was ich gut verstehen konnte. Hier konnte man für sich sein und alles andere vergessen. Ich hatte mich schon lange nicht mehr so wohlgefühlt und der Gedanke, dass Tuomas genau neben mir lag, machte alles noch viel schöner. In seiner Nähe fühlte ich mich wohl und er gab mir das Gefühl wieder ein ganz normales Mädchen zu sein. Ein Mädchen, das frei war und sich keine Gedanken darüber machen musste, wie sie ihren Fluch loswurde.

Ich hatte die Augen geschlossen und geriet wie so oft ins Träumen. Ich sah mich und Tuomas in einem kleinen Ruderboot sitzen und auf den See hinausfahren. Die Sonne ließ das Wasser wie tausende Kristalle glitzern. Wir waren ganz alleine. Tuomas blickte lächelnd zu mir – woraufhin mein ganzer Körper zu kribbeln begann – und beugte sich dann in meine Richtung und küsste mich sanft …

Ich wandte den Kopf und sah, dass Tuomas eingenickt war. Ich musste schmunzeln und betrachtete ihn. Er sah niedlich aus, wie er dort mit zufriedenem Gesichtsausdruck lag.
Plötzlich huschte mir ein schelmisches Grinsen über das Gesicht.
Ich hatte Lust ihn ein wenig zu necken. Also schnappte ich mir einen Grashalm, beugte mich zu ihm hinüber und begann damit langsam über sein Gesicht zu streichen. Daraufhin zuckte er mehrere Male, wandte den Kopf und musste niesen, ohne jedoch aufzuwachen. Ich kicherte und machte weiter, woraufhin er anfing, mit der Hand vor seinem Gesicht herumzuwedeln als wolle er eine Fliege verscheuchten. Ich fand das Ganze äußerst amüsant.
Schließlich erwachte er doch und öffnete die Augen. „Heee, du kleines Biest!“, lachte er. „Darf man denn nicht mal in Ruhe schlafen?“
Ich kicherte, ließ den Grashalm wieder seinen Hals hinunter wandern, woraufhin er mit seiner Hand mein Handgelenk packte und ihn mir abnahm. „Ich kann dich gerne auch mal kitzeln!“ Er beugte sich zu mir „Oh nein nein …“ Ich versuchte auszuweichen, doch er hielt mich noch immer fest und zog mich näher zu sich. „Ha!“ Er grinste frech und begann mich nun seinerseits zu kitzeln. Ich war zu meinem Pech sehr kitzlig. „Aaaah nein, nein nein, hör aaaaauf!!“ Ich lachte und versuchte mich aus seinem Griff zu winden. Jedoch ohne Erfolg. Ihm schien es großen Spaß zu machen. „Hilfeeeee!!!“

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Es machte Spaß sie zu necken und es war einfach zu süß, wie sie sich benahm und versuchte ihn dazu zu bringen, dass er aufhörte. Sie schien wirklich sehr kitzlig zu sein „Tja, das hast du davon“
„D… du bist sooo gemein …!!“ sie konnte vor lauter Lachen kaum reden.
„Ach, bin ich das? Wer hat denn angefangen?“ Er beschloss nun sie nicht noch weiter leiden zu lassen – so gemein war er ja schließlich auch nicht – und ließ von ihr ab, woraufhin sie sich sogleich auf den Rücken fallen ließ.
„Aaaah, ich sterbe …“, murmelte sie außer Atem, was ihn wieder lachen ließ.

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Ein Regentropfen traf auf meine Stirn, was mich leicht zusammenzucken ließ. Als ich die Augen öffnete, sah ich, dass sich die Wolken inzwischen wieder verdichtet hatten.
„Schade, ich glaube es fängt an zu regnen.“ Ich blickte zu Tuomas. Dieser nickte: „Wir gehen besser wieder nach Hause, bevor wir noch nass werden.“ Und damit war dieser schöne Ausflug leider vorbei.
Tuomas stand auf und hielt mir seine Hand hin, um mir aufzuhelfen. Gentleman, dachte ich schmunzelnd, nahm die mir dargebotene Hand und stand ebenfalls auf.

Wir machten uns auf den Weg, doch es sah nicht so aus, als würde der Regen noch so lange auf sich warten lassen, bis wir zu Hause waren.
Schon bald war aus dem Tröpfeln ein leichter Regen geworden, der immer stärker wurde. „Komm, wir rennen ein Stück“, meinte Tuomas. „Wer schneller zu Hause ist!“ Er zwinkerte mir verschmitzt zu und rannte dann auch gleich los. „Hey! Na warte!“ So schnell wollte ich mich nicht abhängen lassen. Ich rannte ebenfalls los und versuchte ihn einzuholen. Leider war der Boden durch den inzwischen starken Niederschlag noch matschiger und somit auch sehr rutschig geworden. Ich versuchte nicht zu stolpern, doch leider bin ich ein hoffnungsloser Tollpatsch. So kam es, wie es kommen musste. Ich rutsche aus, schrie auf, ruderte mit den Armen und versuchte mein Gleichgewicht zu halten. Doch meine verzweifelten Bemühungen nützten nichts und ich landete im Schlamm. „Janni, du Tollpatsch!“, schalt ich mich in Gedanken. War ja klar, dass mir mal wieder so etwas passieren musste.

Tuomas hatte meinen Sturz mitbekommen und kam zu mir gelaufen. „Alles in Ordnung?“
Ich nickte. „Ich glaube schon.“ Zwar war ich nun über und über mit Schlamm bedeckt und pitschnass, doch ansonsten schien alles ok zu sein.
Dachte ich zumindest. Denn als Tuomas mir aufhalf und ich meinen rechten Fuß aufsetzte, durchzuckte mich plötzlich ein stechender Schmerz. „Aua! Verdammt …“ Ich wäre wohl wieder hingefallen, wenn Tuomas mich nicht gestützt hätte. „Was ist denn los?“, fragte er. „Mein Fuß“ brachte ich heraus und verzog das Gesicht. „Oje. Kannst du laufen?“
„Ich denke …“ Ich stand vorsichtig auf, versuchte einige Schritte zu laufen, knickte jedoch gleich wieder schmerzhaft um. So ein Mist!
„Klar, du kannst laufen“, meinte Tuomas ironisch, „Komm, ich trag dich“ und schon im nächsten Moment, noch bevor ich die Chance gehabt hatte etwas zu erwidern, hatte er mich auf seine Arme gehoben, was mir nicht ganz geheuer war. Was, wenn er mich fallen ließ? „Nein, nein, ich bin doch viel zu schwer, lass mich runter!“ Tuomas musste lachen „Also gut, dann anders.“ Er nahm mich huckepack. Das war schon viel angenehmer. So konnte ich mich wenigstens gut festhalten.
Ich schlang meine Arme fest um ihn, um besseren Halt zu haben und nicht hinunterzufallen „Wenn du dich so festkrallst kann ich aber nicht laufen ... Außerdem ... krieg ich keine Luft ...“
„Oh …Tut mir leid …“ Ich lächelte verlegen und lockerte meinen Griff etwas. „Keine Angst, ich lass dich nicht fallen.“ Er umfasste meine Beine, um mir zusätzlichen Halt zu geben. Na hoffentlich stimmte das. Aber er schien mich problemlos tragen zu können. Ich hielt mich weiter an ihm fest und schmiegte mich an ihn. Er war mittlerweile auch bis auf die Knochen durchnässt.

Ich versuchte mich etwas vor dem Regen zu schützen, indem ich mein Gesicht leicht gegen seinen Rücken drückte. Langsam begann ich auch zu frieren. Wirklich keine angenehme Situation. „Wir sind bald da“, meinte Tuomas. Ich drückte mich noch fester an ihn, hatte die Augen geschlossen. Dass mir auch immer solche Ungeschicke passieren mussten. Ich war wohl ein hoffnungsloser Unglücksrabe.

Nach einem mir endlos vorkommenden Marsch durch den Regen, hatten wir endlich Tuomas‘ Haus erreicht. Er setzte mich schnell auf der Treppe ab und schloss die Tür auf. Ich war erleichtert, als wir endlich wieder im Trockenen standen. Hoffentlich würde ich ohne eine Erkältung davonkommen. Mein verstauchter Fuß reichte mir schon. „Du solltest dich erst mal warm duschen“, meinte Tuomas. „Ich bring dir ein paar trockene Sachen von mir.“
Er setzte mich im Bad auf dem Badewannenrand ab und verschwand im Schlafzimmer. Ich zitterte heftig und fühlte mich äußerst unwohl. Auch mein Fuß schmerzte noch.

Tuomas kam zum Glück gleich zurück. „Ich bin in der Küche, falls du mich brauchst. Ich hoffe du kommst zurecht.“
Ich nickte. „Ja. Danke.“
„Komm einfach ins Wohnzimmer, wenn du fertig bist.“ Damit verschwand er aus dem Bad. Ich richtete mich langsam auf – sorgsam darauf achtend, dass ich meinen rechten Fuß nicht belastete – und zog die völlig durchnässten Klamotten aus. Dies stellte sich als schwieriger heraus als gedacht. Die Kleidung klebte regelrecht an meinem Körper. Außerdem zitterte ich und konnte meine Hände kaum bewegen, da sie ganz steif gefroren waren. Doch schließlich hatte ich es geschafft und mit einiger Mühe gelangte ich auch in die Dusche und drehte schnell das Wasser auf. Ich zuckte zusammen, als das warme Wasser an mir herunterlief, doch es tat sehr gut und schon nach kurzer Zeit legte sich das Zittern und ich begann wieder aufzutauen. Ich schloss die Augen und genoss die Wärme, die sich nun langsam wieder in mir ausbreitete. Warum musste Regen auch immer so kalt sein?

Ich ließ mir Zeit und kam erst nach etwa einer halben Stunde wieder aus der Dusche, mir ein Handtuch um den Körper wickelnd. Als ich mich jedoch wieder anziehen wollte, bemerkte ich, dass auch meine Unterwäsche vom Regen völlig durchnässt war. Na super … Mir blieb wohl nichts anderes übrig als zu versuchen, diese mit dem Föhn zu trocknen.
Diesen fand ich zum Glück gleich und machte mich an die Arbeit. Ich kam mir ein wenig seltsam dabei vor, doch was sollte ich machen? Es dauerte ein wenig, aber schließlich war meine Unterwäsche so trocken, dass ich sie wieder anziehen konnte. Tuomas fragte sich sicher schon, was ich so lange machte.

Als ich schließlich auch meine Haare geföhnt und mich fertig angezogen hatte, kam ich aus dem Bad und humpelte zurück ins Wohnzimmer.
Tuomas hatte mir eines seiner Hemden geliehen, das mir natürlich viel zu groß war. Ich muss zugeben, dass mir das ein wenig unangenehm war, da man ziemlich viel von meinen Beinen sehen konnte.

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Tuomas sah auf, als er Schritte hörte und entdeckte Janni, die gerade ins Wohnzimmer kam. Er konnte nicht vermeiden, dass sein Blick zu ihren Beinen wanderte, auf die er durch das Hemd einen ziemlich guten Blick hatte. Auf ziemlich hübsche Beine … Er lief leicht rot an.
„Ääähm … ich … hol dir besser doch noch ‘ne Hose.“ Er räusperte sich. „Warte kurz …“

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Wenig später hatte ich dann auch noch eine von Tuomas‘ Shorts an und fühlte mich gleich wohler.
„Moment, ich helfe dir.“ Tuomas kam zu mir und nahm mich vorsichtig auf den Arm. Ich grinste und lehnte mich an ihn, als er mich zum Sofa trug und dort absetzte. „Daran könnte ich mich gewöhnen.“
Er lachte. „Wenn du denkst, dass ich dich nun ständig trage, liegst du aber falsch“
„Hmmm… schaade.“ Ich lachte ebenfalls.
„Ich hab uns Spagetti gekocht“, meinte Tuomas dann. „Oh toll. Ich hab riesigen Hunger!“ Vorhin hatte ich noch gar nicht bemerkt, wie hungrig ich eigentlich war. Doch nun, da mir endlich wieder warm war, wurde mir mein knurrender Bauch erst richtig bewusst. „Dachte ich mir. Bin gleich wieder da“ Tuomas verschwand kurz in der Küche, um gleich darauf mit zwei großen Tellern Spagetti wiederzukommen, die er auf dem Wohnzimmertisch abstellte.

„Aber erst schau ich mir mal deinen Knöchel an, ok?“ Ich nickte hielt ihm den verstauchten Fuß hin, als er sich vor mich kniete. Er betrachtete ihn. „Ist etwas geschwollen. Am besten, wir kühlen und verbinden das.“ Er stand wieder auf und holte einen Verbandskasten aus dem Schrank. Dann kniete er sich wieder hin. „Das wird jetzt wahrscheinlich ein wenig weh tun.“ Er holte eine kühlende Salbe aus dem Verbandskasten. Ich biss die Zähne zusammen, als er sie vorsichtig auf den Knöchel auftrug. Es tat wirklich ziemlich weh. „Gleich hast du‘s geschafft.“ Als Nächstes verband er den Fuß noch, was nicht weniger schmerzhaft war. Doch schließlich war er fertig. „Sooo, jetzt können wir nur hoffen, dass es schnell heilt. Vielleicht hilft das ja …“ Er gab mir ein liebevolles Küsschen auf den Knöchel. Wie süß von ihm! „Da bin ich mir sicher. Danke fürs Verarzten.“ Ich lächelte ihn dankbar an. „Ist doch selbstverständlich“, erwiderte er mein Lächeln. „Und jetzt essen wir besser, bevor es noch kalt wird.“

(Ani)

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Witchers News, Jg. 3, Nr. 16 vom 01.04.2011, S. 17-21


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